Eintracht Norderstedt hadert nach dem Pokal-Aus mit Verletzungen, vergebenen Chancen und einem deutlich zu braven Auftreten.

Norderstedt. Als einer der letzten Fußballer von Eintracht Norderstedt stand Mario Jurkschat noch vor der Kabine, abgekämpft und ausgezehrt von der Hitze im Stadion Hoheluft. Der 29 Jahre alte Angreifer gehört zu der Sorte Menschen, die gerne plaudern, flapsige Kommentare abgeben, aber deren Aussagen eben auch Substanz besitzen. Und zum Spaßen war ihm nach dem Ausscheiden im Oddset-Pokal beim SC Victoria überhaupt nicht zumute.

Manch ein Mannschaftskollege war in diesem Moment bereits damit beschäftigt, Equipment in den Teambus zu laden - niemand verweilt gerne länger als nötig an einer Stätte der Niederlage. Dabei hatte Jurkschat vor der Partie alles versucht, um seine Mitspieler positiv anzustacheln. "Ich habe ihnen erzählt, wie geil es damals war, den Oddset-Pokal zu gewinnen. Aber vielleicht haben sie es nicht verstanden", sagte er mit leerem Blick.

2009, mit dem SC Concordia, hatte der heutige Garstedter überraschend im Finale mit 2:1 über den großen Favoriten Altona 93 triumphiert. Der damalige Torschütze zum zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich? Ein gewisser Mario Jurkschat.

Es ging ihm nicht darum, sich selbst zu glorifizieren. Er wollte den unbändigen Hunger auslösen bei der Eintracht, um 2012 in einer ähnlichen Konstellation wie drei Jahre zuvor noch einmal eine Heldengeschichte für Fußball-Romantiker schreiben zu können.

Dazu wäre vor über 1000 Zuschauern allerdings Teamwork und keine Solodarbietung erforderlich gewesen. Kapitel eins verfasste Jurkschat noch selbst mit seinem 1:1 nach 14 Minuten. Filmreif war der folgende demonstrative Kuss auf das nach zwei Kreuzbandrissen wiederhergestellte Knie. Und zumindest ermutigend die Tatsache, dass Norderstedt trotz nervöser eigener Abwehr mehrfach aussichtsreich im gegnerischen Strafraum auftauchte. "Das war wirklich ordentlich von uns in der ersten Halbzeit", sagte Mario Jurkschat.

Im Nachhinein fehlte der Eintracht vielleicht die Bereitschaft, dem Favoriten mit allen - vielleicht auch grenzwertigen - Mitteln den Finaleinzug zu entreißen. Ähnlich wie beim Boxen, wo ein Weltmeister in der Regel nur durch Knockout und nicht per Punktsieg entthront werden kann, durfte sich Victoria speziell nach dem 2:1 in der 58. Minute durch Nico Patschinski zu oft in einer Komfortzone im Mittelfeld bewegen, hier und da dribbeln, Diagonalpässe schlagen und das Tempo kontrollieren. In den Seilen hing der künftige Regionalligist nie.

Nicht nur nach Ansicht des Eintracht-Torschützen, sondern auch vieler neutraler Zuschauer hätte Norderstedt spätestens in der Schlussphase giftiger auftreten müssen. "Uns hat die Galligkeit gefehlt", bemängelte Jurkschat. Erst sehr spät verpassten zunächst Felix Schuhmann mit einem Kopfball aus kurzer Distanz (87.) und Dane Kummerfeld mit einem Volleyschuss von der Strafraumgrenze (90.+2) die mögliche Verlängerung.

Ein weiterer Faktor, der zu den Problemen im zweiten Durchgang führte, waren die verletzungsbedingten Auswechslungen in der Halbzeitpause. Zum einen betraf dies Dominic Ulaga mit einer Wadenblessur, insbesondere aber den sehr auffälligen Linus Meyer.

"Ich habe einen Stich im Oberschenkel gespürt und sofort gewusst, dass es vorbei ist", sagte dieser. "Von außen dann zuschauen zu müssen ist aber das Schlimmste überhaupt." Trainer Matthias Dieterich räumte ein, dass der Ausfall des Kreativpostens nicht zu kompensieren war. "Uns fehlte ein Stück weit der Esprit, nachdem Linus weggebrochen ist. Es wäre schöner gewesen, wenn wir unsere frischen Kräfte später hätten bringen können."

Doch der Coach wollte sich nicht lange mit hypothetischen Szenarien aufhalten. "Der SC Victoria hat uns laufen gelassen und das gut gemacht. Der Sieg ist verdient. Am Ende hat uns das zwingende Momentum gefehlt. Individuelle Fehler wie unsere werden auf diesem Niveau bestraft."

Morgen empfängt Eintracht Norderstedt die SV Halstenbek-Rellingen zum 31. Spieltag der Oberliga Hamburg. Anstoß im Edmund-Plambeck-Stadion ist um 19 Uhr.