Henstedt-Ulzburg. Der „große Knall“, wie es der Betriebsratsvorsitzende Roland Baukat nennt, ist zwei Jahre her. Seitdem liegen bewegte Zeiten hinter Caterpillar in Henstedt-Ulzburg. Am 7. Juli 2021 hatte der US-Mutterkonzern des Motorenbauers bekanntgegeben, die Produktion in Kiel einzustellen. In diesem Zuge sollten auch das Werk in Rostock und eben die Logistik an der Rudolf-Diesel-Straße in Henstedt-Ulzburg dichtgemacht werden. Mehr als ein Jahr wurde erbittert verhandelt, um die Jobs zu erhalten.
Es zeichnete sich ab, dass die Schließung abgewendet werden könnte. Der Einstieg eines externen Investors kam zur Sprache, das Logistikzentrum wäre dann von einem Dienstleister betrieben worden. Aber im Zuge der Verhandlungen über Sozialpläne und Interessenausgleiche kamen die amerikanischen Manager zu einer neuen Bewertung der Situation. Henstedt-Ulzburg gehört weiter zu Caterpillar, das steht seit diesem Frühjahr fest.
Caterpillar: So gelang die Rettung des Standortes in Henstedt-Ulzburg
Verglichen mit der Krisenstimmung vor zwei Jahren ist das eine bemerkenswerte Wende. „Ende 2022 sollten die Schlüssel spätestens übergeben werden“, erinnert sich Steffen Kreisl, Gewerkschaftssekretär der IG Metall. Diese hatte die Kampagne gegen die „Catastrophe“ gestartet, es gab Rückendeckung aus der Öffentlichkeit und der Politik, in Kiel zog eine Demo durch die Landeshauptstadt.
Heute weiß man: Zumindest teilweise hat sich der Einsatz gelohnt. Das Werk in Mecklenburg-Vorpommern war zwar nicht zu retten, auch in Kiel werden keine Motoren mehr fabriziert. Aber mehrere Bereiche wurden erhalten oder fanden Investoren, sodass hier etwa zwei Drittel der Belegschaft blieben.
Henstedt-Ulzburg spielt eine spezielle Rolle. Von hier werden Motorenersatzteile verschickt. Als seinerzeit die Ankündigung bekannt wurde, dass Caterpillar das Deutschland-Geschäft aufgeben wolle, kauften viele Kunden kurzfristig so viel wie möglich ein. „Das führte zu einem hohen Druck auf die Belegschaft“, so Roland Baukat. „Es wurde verlangt, mehr zu arbeiten, es wurde Zeitarbeit reingeholt.“
Lange Serviceverträge: Logistik im Hamburger Norden ist unverzichtbar
Grundsätzlich gibt es Serviceverträge mit zehnjähriger Laufzeit – solange garantiert Caterpillar die Lieferung. Deswegen ist die Logistik am Rande Hamburgs eben doch unverzichtbar. Und die Belegschaft hatte eine solide Verhandlungsposition für erfolgreiche Tarifverhandlungen. Ab August erhalten die rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 300 Euro mehr pro Monat.
„Das ist für den Großteil der Belegschaft eine Entgeltsteigerung von 12,5 Prozent“, sagt Roland Baukat. „Zudem erhalten alle Beschäftigten 2000 Euro Inflationsausgleichsprämie – darauf haben viele unserer Mitglieder gehofft. Und oben drauf gibt es noch einen zusätzlichen freien Tag in diesem Jahr. Denn die Arbeitsbelastung am Standort ist weiterhin hoch.“
„Mitglieder haben deutlich gemacht, dass ihnen ordentliches Stück vom Kuchen zusteht“
Steffen Kreisl, der auch Verhandlungsführer war, bestätigt: „Das Lager ist schon lange gut ausgelastet, und Caterpillar verdient mit der Arbeit der Kolleginnen und Kollegen gutes Geld. Unsere Mitglieder haben daher von Anfang an deutlich gemacht, dass ihnen ein ordentliches Stück vom Kuchen zusteht. Die Geschäftsführung wusste, dass wir uns nicht mit Krümeln abspeisen lassen.“
In der Gewerkschaft sind fast alle organisiert. Baukat betont: „Wir sind eine sehr entschlossene Belegschaft, die dazu bereit ist, zusammenzurücken und für ihre Rechte einzutreten.“ Und die sind eben andere als in den USA, wie Caterpillar feststellte. Steffen Kreisl: „Zu Beginn wurde das Betriebsverfassungsgesetz mit Füßen getreten.“ Die durchaus rabiate Form der Verkündung im Juli 2021, inklusive abgestellter Mikrofone für den Betriebsrat, mag vielleicht in den USA gängig sein. „Aber hier haben wir deutsches Recht“, so Kreisl, das habe Caterpillar lernen müssen. Es trafen also komplett unterschiedliche Kulturen aufeinander.
IG Metall: Ein Streikkonzept war bereits fertig
Bevor der neue Tarif beschlossen wurde, gab es drei Verhandlungsrunden. Um die eigene Position zu verdeutlichen, lud der Betriebsrat zu einer „aktiven Mittagspause“ ein, die Resonanz war sehr gut. Auch ein Streikkonzept sei fertig gewesen, sagt die IG Metall.
Letztlich mag auch die Sorge des Unternehmens überwogen haben, Fachkräfte zu verlieren. „Es gibt hier 70 Unternehmen, die in der Logistik Mitarbeiter suchen“, sagt Betriebsratsmitglied Mathias Arnold. Da genügt ein Blick die Straße entlang: Boeing, Netto, Rewe sind nur die größten Namen, die Gewerbegebiete in Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen sind voller vergleichbarer Firmen. Das Plus von Caterpillar, sagt Betriebsrätin Nadine Rieper: Es seien alle eng zusammengerückt. „Ich fühle mich hier heimisch, komme gerne zur Arbeit.“
Von der starken Konkurrenz profitieren die Arbeitnehmer in manchen Branchen offenbar. Kürzlich erstritten die Mitarbeiter von Logopak in Hartenholm – auch unter Mithilfe der IG Metall – eine 35-Stunden-Woche. Der neue Tarif bei Caterpillar ist ein weiteres Beispiel. „Hier ist die Vorgeschichte dramatischer als bei Logopak“, sagt Steffen Kreisl. Und: „Wenn in der Logistik gestreikt wird, sind die Folgewirkungen enorm. Es hängt viel daran.“
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Caterpillar: Jetzt soll Henstedt-Ulzburg langfristig gesichert werden
Auch der Arbeitsmarkt ist ein anderer. Früher hätten sich Unternehmen darauf verlassen, dass andere Firmen ausbilden – und von dort dann neue Kräfte quasi angeworben. Das funktioniert so nicht mehr. „Es wird mehr über Entgelte und Arbeitsbedingungen gesprochen“, so Kreisl. „Hier bei Caterpillar ist keiner ersetzbar. Die Belegschaft ist gut beraten, offensiv und selbstbewusst aufzutreten.“
Ab sofort geht es darum, den Standort Henstedt-Ulzburg – diesen gibt es seit 2010 – langfristig zu sichern. In den nächsten zwölf Monaten wolle man zusammen mit der Firmenleitung in Workshops an einer Strategie für die Zukunft arbeiten – dazu gehören auch die entsprechenden tariflichen Regelungen. Denn der neue Abschluss, gilt eben vorerst nur für zwölf Monate.
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