Norderstedt. Tiere sind wie Familienmitglieder – das erlebt Dr. Carolin Heide jeden Tag. So liebevoll werden Mensch und Tier in der Klinik begleitet.

Wenn Freki läuft, knicken seine Hinterbeine immer wieder weg. „Er verhält sich seit ein paar Tagen sehr komisch“, sagt Alice Vanholme. Die besorgte Besitzerin hat sofort in der Tierklinik in Norderstedt angerufen und einen Termin in der internistischen Sprechstunde von Dr. Carolin Heide vereinbart.

„Ich kenne Freki schon sehr lange“, erzählt die Tierärztin. Vor ungefähr drei Jahren haben die Tiermediziner der Klinik dem Kater das Leben gerettet. Ihm ging es sehr schlecht. Er litt an einer schweren Infektion. „Er wurde stationär aufgenommen und aufgepäppelt“, erinnert sich Vanholme, die den Mitarbeitern der Tierklinik ewig dankbar sein wird. Heute ist Freki 19,5 Jahre alt. Ein stolzes Alter für einen Kater. Doch natürlich hat es auch Spuren hinterlassen.

Tierklinik Norderstedt: „Mein Ein und Alles“ – Emotionaler Abschied von Kater Freki

Der Blutdruck ist zu hoch, die Nieren funktionieren nicht mehr richtig. Eine Röntgenaufnahme zeigt, dass die Hüfte dem Kater Schmerzen bereitet. „Wir wollen, dass er noch ein schönes Katzenleben hat“, sagt Carolin Heide. Freki liegt auf einem Kissen auf dem Behandlungstisch. Alice Vanholme betrachtet ihr Haustier, das noch so viel mehr für sie ist. „Er ist mein Ein und Alles“, sagt sie. Schon als Baby hat sie ihn bei sich aufgenommen, und gemeinsam mit seinem Bruder aus einer verwahrlosten Wohnung gerettet. „Er ist wie ein Kind für mich. Er hat schon so viel mit mir durchgemacht.“

Internistische Sprechstunde der Tierklinik Norderstedt: Tierärztin Dr. Carolin Heide und Auszubildende Lisa Peters bereiten Freki zum Blutabnehmen vor.
Internistische Sprechstunde der Tierklinik Norderstedt: Tierärztin Dr. Carolin Heide und Auszubildende Lisa Peters bereiten Freki zum Blutabnehmen vor. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES

Trotzdem: Das Letzte, was sie möchte, ist, dass ihr Tier leidet. „Ich stelle mich jeden Tag auf den Abschied ein. Am liebsten wäre es mir, wenn er einfach einschläft.“ Ihre Stimme bricht. Tränen kullern ihr über das Gesicht. Carolin Heide greift über den Tisch und streichelt ihren Arm. Auszubildende Lisa Peters holt die Taschentuchbox und reicht sie Alice Vanholme. „Sie müssen sich das wie bei einem ganz alten Mann vorstellen. Der kann auch nicht mehr so gut laufen“, sagt die Tierärztin einfühlsam. „Wenn er nicht laufen kann, ist das kein katzenwertes Leben. Aber wir können noch etwas tun, wir haben noch Luft nach oben.“

Norderstedt: Frekis Besitzerin verlässt Tierklinik trotzdem mit einem Lächeln

Vanholme streichelt Freki durch das Fell. „Wann müssen wir ihn einschläfern?“, fragt sie zaghaft, weil sie Angst vor der Antwort hat. „Sie werden es merken, wenn es so weit ist“, sagt die Tiermedizinerin. Lisa Peters hilft dabei, Frekis Transportbox zu versperren. Vanholme ist zu aufgeregt und ihre Hände zu zittrig, um den Reißverschluss richtig zu schließen. Trotzdem verlässt sie den Raum mit einem Lächeln. Nächste Woche soll sie mit Freki für weitere Untersuchungen wiederkommen. „Danke, dass sie mich so gut begleiten“, sagt sie und geht durch die Tür.

Dr. Carolin Heide untersucht Freki, während Besitzerin Alice Vanholme den Kater mit Streicheleinheiten beruhigt.
Dr. Carolin Heide untersucht Freki, während Besitzerin Alice Vanholme den Kater mit Streicheleinheiten beruhigt. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES

Carolin Heide musste in ihrem Job lernen, schlechte Nachrichten zu überbringen. „Es ist etwas anderes, in einer Überweisungsklinik zu arbeiten und schwer kranke Patienten täglich zu betreuen, oder bei einer Haustierarztpraxis. In der Klinik müssen wir jeden Tag traurige Botschaften übermitteln“, sagt die 32-Jährige. Für sie ist das zu ihrer täglichen Arbeit geworden. Sie ist Realistin. Aber natürlich nehmen auch sie spezielle Schicksale, wie etwa Krebsdiagnosen bei jungen Patienten, sehr mit. „Man muss extrem empathisch sein. Man stellt das Leben des Besitzers komplett auf den Kopf“, sagt sie.

Tiermedizin: In Deutschland gibt es nur einen Dialyse-Standort

Bella war schon öfter in der Tierklinik zur Behandlung. Dr. Heide sieht die Katze heute aber zum ersten Mal. „Seit wann hat Bella erhöhte Nierenwerte?“ Sie stellt der Besitzerin eine Reihe an Fragen, um sich ein ausführliches, eigenes Bild machen zu können. Die Katze leidet an einer Nierenfunktionsstörung. Diese ist nicht heilbar. Bella bekommt ein spezielles Nierenfutter und Medikamente. Die Tierärztin empfiehlt eine Tablette, die den Appetit anregen soll, sowie ein Pulver, das Stoffwechselendprodukte bindet. „Ich nehme alles, was hilft. Ich würde auch mit ihr zur Dialyse fahren“, sagt das Frauchen.

Tierärztin Dr. Carolin Heide notiert sich wichtige Informationen zum Tier am Computer in der Krankenakte.
Tierärztin Dr. Carolin Heide notiert sich wichtige Informationen zum Tier am Computer in der Krankenakte. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES

In der Tiermedizin in Deutschland wird die Dialyse allerdings nur bei akuten Niereninsuffizienzen empfohlen. Im ganzen Land gebe es nur einen Standort, sagt Carolin Heide, an dem eine solche Behandlung durchgeführt werden könne.

Die Tiermedizinerin hört das Herz der kleinen Bella mit dem Stethoskop ab. Es hört sich komisch an. „Eventuell liegt eine Herzerkrankung vor. Das muss nicht therapiebedürftig sein, aber wir müssen es nächste Woche noch einmal abchecken“, sagt sie.

Katzenbesitzerin: „Dankbar für jeden Tag, den wir noch mit ihr haben“

Schon über Weihnachten musste Bella in der Klinik bleiben. „Ich habe immer auf den erlösenden Anruf gewartet. Sie ist ein Familienmitglied für uns. Ein Tag vor Heiligabend wurde uns dann mitgeteilt, dass sich ihre Werte verschlechtert haben. Weihnachten war gelaufen“, erzählt ihre Besitzerin. Sie hat Bella, die etwa zwölf Jahre alt ist, aus dem Tierschutz zu sich geholt. „Ich bin dankbar für jeden Tag, den wir noch mit ihr haben.“

Katze Bella leider an einer Nierenfunktionsstörung. Sie ist nicht heilbar, aber es lässt sich einige Jahre damit leben.
Katze Bella leider an einer Nierenfunktionsstörung. Sie ist nicht heilbar, aber es lässt sich einige Jahre damit leben. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES

Dr. Heide schaut sich Bellas Nieren mit dem Ultraschallgerät an. Auf dem Bildschirm erklärt sie dem Frauchen, dass die Nierenoberfläche sehr „höckrig“ aussieht. Normalerweise sollte sie glatt sein. „Die Nieren sehen chronisch verändert aus, aber noch nicht dramatisch. Alle anderen Organe sind altersentsprechend“, sagt die Tierärztin.

„Ein bisschen Zeit haben wir also noch?“, fragt Bellas Besitzerin vorsichtig nach. „Ich hoffe ja. Manche Katzen leben damit noch viele Jahre, manche nur ein paar Wochen. Es ist total unberechenbar. Ich möchte keine Ängste entstehen lassen, aber auch nicht zu viel Hoffnung“, sagt Carolin Heide, schiebt aber noch einen beruhigenden Satz hinterher: „Wenn alles gut funktioniert, kann sie damit noch länger leben.“

Tierklinik Norderstedt: Frekis Zustand verschlechterte sich rapide

Nur wenige Tage nach dem Besuch des Abendblatts in der Tierklinik hat Alice Vanholme ihren Freki erlöst. Sein Zustand hat sich rapide verschlechtert. Für sie war es einer der schwersten Wege ihres Lebens. „Er fehlt mir schrecklich und das Leben wird nicht mehr das gleiche sein“, sagt sie. Trotzdem bleibt am Ende ganz viel Dankbarkeit – für die gemeinsame Zeit, die sie auch Dank der Tierklinik hatten.

Kater Freki ist 19,5 Jahre alt geworden. Besitzerin Alice Vanholme ist dankbar für die lange gemeinsame Zeit.
Kater Freki ist 19,5 Jahre alt geworden. Besitzerin Alice Vanholme ist dankbar für die lange gemeinsame Zeit. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES

Serie: Das Abendblatt begleitet und porträtiert in den kommenden Wochen mit der Tierklinik Norderstedt eine der größten und bekanntesten des Nordens. Lesen Sie demnächst, wie die Spezialisten der Klinik arbeiten und was sie alles leisten können.