Norderstedt/Kiel. Er fühlte sich auf Ulzburger Straße von Lastwagen bedrängt, drehte durch – und zahlte nun einen extrem hohen Preis dafür.

Weil sich ein Autofahrer (49) nachts gegen 3.40 Uhr in Norderstedt durch einen hinter ihm auffahrenden Lastwagen provoziert fühlte, riskierte er durch gefährliche Fahrmanöver Kopf und Kragen: Über mehrere Kilometer bremste der Angeklagte den Lastwagen-Fahrer auf der Ulzburger Straße immer wieder aus. Als der Brummi zu einem Überholversuch ansetzte, legte der 49-Jährige plötzlich eine Vollbremsung ein. Prompt kam es zum Auffahrunfall.

Der von dem Familienvater aus dem Kreis Segeberg vorsätzlich herbeigeführte Crash in Norderstedt verursachte einen Schaden in Höhe von 10.000 Euro. Am Mittwoch war der Unfall vom 19. März 2019 Gegenstand eines Strafprozesses im Kieler Amtsgericht. Hier musste sich der Angeklagte nicht nur wegen Gefährdung des Straßenverkehrs – Mindeststrafe ein Jahr – verantworten.

Prozess: Mann provoziert in Norderstedt Unfall mit irrem Fahrmanöver

Weil der damalige Mitarbeiter des Hamburger Flughafens den Lastwagen-Fahrer einer Hohenwestedter Bäckerei später auch noch auf rund 7000 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagte, wurde der 49-Jährige zudem wegen falscher Verdächtigung und versuchten Versicherungsbetrugs verurteilt. Er hatte den Lastwagenfahrer wegen fahrlässiger Körperverletzung sogar bei der Polizei angezeigt. Obwohl dieser laut Gutachten gar nicht zu schnell gefahren war.

Als Gesamtstrafe verhängte das Schöffengericht in Kiel ein Jahr und zwei Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Laut Urteilsbegründung soll der Angeklagte, der früher bereits wegen zu schnellen Fahrens und Handynutzung am Steuer aufgefallen war, „auch etwas von der Bewährungsstrafe spüren“. Deshalb muss er seinen Führerschein für drei Monate abgeben und innerhalb dieses Zeitraums 80 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

Angeklagter brachte sich mit der Aktion um seinen Job am Flughafen

Mit seiner halsbrecherischen Bestrafungsaktion und der anschließend dreist erhobenen Klage in einem Zivilverfahren vor dem Kieler Landgericht hatte sich der Angeklagte selbst um seine Festanstellung beim Hamburger Airport gebracht: Als Beschuldigter in einem Strafverfahren war er dort aus Sicherheitsgründen nicht mehr tragbar, hieß es.

Als Reinigungskraft hatte der in der Türkei geborene Mann beim Flughafen 1800 Euro netto verdient. Vor Gericht ist der deutsche Staatsbürger auf einen Dolmetscher angewiesen. Seit der Kündigung hat er beruflich noch nicht wieder Fuß gefasst.

Sein Betrug flog in einer Zivilverhandlung vor dem Landgericht Hamburg auf

Mehrere Bewerbungen als Hausmeister und Reinigungskraft brachten bisher kein Ergebnis. Der Vater von zwei Kindern lebt derzeit von rund 1200 Euro Arbeitslosengeld, seine Frau arbeitet halbtags. Das Ehepaar finanziert den Lebensunterhalt der jüngeren Tochter (18), die als Schülerin noch zuhause wohnt.

Bereits in der Zivilverhandlung vor dem Landgericht waren die Betrugspläne des Angeklagten aufgeflogen: Das Gutachten eines Sachverständigen zu den Geschwindigkeiten und Bremswegen der Unfallgegner widerlegte die Darstellung des Angeklagten. Das Landgericht wies die Klage ab und übergab den Fall der Staatsanwaltschaft.

Lastwagenfahrer bestätigte, dass er auffuhr und Lichthupe gab

Danach legte der zerknirscht wirkende Unfallfahrer ein umfassendes Geständnis ab. Auch seine selbst verschuldete Arbeitslosigkeit stimmten Staatsanwalt und Schöffengericht vier Jahre nach dem Unfall milde. Zumal der als Zeuge vernommene Lastwagen-Fahrer (66) die Vorgeschichte bestätigt:

Ja, er sei an jenem Morgen gegen 3.40 Uhr im Firmenwagen der Bäckerei dicht auf den Wagen des Angeklagten aufgefahren und habe die Lichthupe betätigt. „Er fuhr extrem langsam vor mir her“, erklärt der 66-Jährige vor Gericht. „Was hat das mit ihnen gemacht?“, fragt die Richterin nach möglichen Folgen. „Nichts“, lautet die knappe Antwort.

Prozess: „Man muss sich verdammt noch mal im Griff haben!“

Einen minderschweren Fall will nicht einmal der Verteidiger aus diesem Umstand ableiten. Auch am Fahrverbot für den Angeklagten führe kein Weg vorbei, befindet der Rechtsanwalt. In der Urteilsbegründung ermahnt die Richterin den Angeklagten zur Erfüllung der Bewährungsauflagen. Schon ein Verstoß gegen das Fahrverbot könne ihn innerhalb der zweijährigen Bewährungszeit doch noch ins Gefängnis bringen. Sollte der Angeklagte schnell wieder einen Job finden, dürfe er die Arbeitsstunden auch durch eine Geldzahlung ersetzen.

„Im Straßenverkehr komme es oft zu unschönen Situationen“, sagte die Richterin zum Angeklagten. „Aber man muss sich verdammt noch mal im Griff haben. Wenn Sie sich am Steuer zu oft zu sehr aufregen, dann tun sie was dagegen.“