Henstedt-Ulzburg. In diesen Tagen beginnen die Vorbereitungen für den Bau der 380-KV-Leitung. Warum Henstedt-Ulzburg weiter protestiert.

In diesen Tagen werden Tatsachen geschaffen: Die Vorbereitungen für den Bau der Ostküstenleitung beginnen. Nach zehn Jahren Planung, nach heftigen Diskussionen, Protesten und angekündigten Klagen werden zum Jahreswechsel im Bereich der Kreise Segeberg und Stormarn die ersten Bäume gefällt oder gekappt, Büsche und Knicks zurückgeschnitten, um Platz für Riesenmasten zu machen.

In Henstedt-Ulzburg soll die 380-Kilovolt-Leitung teilweise unter der Erde verlaufen, westlich des Ortes ist ein großes Umspannwerk geplant. Noch allerdings steht eine Klage vor dem Verwaltungsgericht im Raum: Henstedt-Ulzburgs Gemeindepolitiker kämpfen weiter gegen den Verlauf der Starkstromleitung. Ob es zur Klage kommt, ist noch nicht entschieden: In den nächsten Wochen wird das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen sein, erst dann diskutiert die Gemeindepolitik über das Einreichen einer Klage.

Energiewende - Bau der Ostküstenleitung beginnt trotz heftiger Proteste

Der Netzbetreiber Tennet kümmert sich zunächst nicht darum und beginnt mit den Vorarbeiten im ersten Bauabschnitt, der vom Kreis Segeberg bis in den Raum Lübeck reicht – und er darf das offiziell: Das Amt für Planfeststellung Energie hat am 15. Dezember einen Zulassungsbescheid erstellt. Darin steht, dass „bereits vor Feststellung des Plans für den Neubau und den Betrieb einer Hochspannungsfreileitung – mit zwei Teilerdverkabelungsabschnitten – mit einer Nennspannung von 380 kV (Ostküstenleitung, 1. Bauabschnitt Kreis Segeberg- Raum Lübeck) unter Berücksichtigung der in der Zulassung genannten Nebenbestimmungen mit den in der Zulassung genehmigten Maßnahmen begonnen werden darf“.

An der A7, direkt neben dem Ortsteil Beckershof, will der Netzbetreiber Tennet ein Umspannwerk errichten. Hier soll die Ostküstenleitung, eine 380-Kilovolt-Trasse, enden. Landwirt und Gemeindepolitiker Tile Abel ist Besitzer der Fläche.
An der A7, direkt neben dem Ortsteil Beckershof, will der Netzbetreiber Tennet ein Umspannwerk errichten. Hier soll die Ostküstenleitung, eine 380-Kilovolt-Trasse, enden. Landwirt und Gemeindepolitiker Tile Abel ist Besitzer der Fläche. © HA

Im Oktober hatte Tennet den Frühstarter-Antrag gestellt. Dabei geht es nach Angaben des Netzbetreibers zunächst um das Zurückschneiden von Bäumen, Büschen und Knicks, weil diese Arbeiten zum Schutz der Tiere nur im Winter durchgeführt werden dürfen. Würde mit diesen Maßnahmen jetzt nicht begonnen, müsste das gesamte Projekt zeitlich nach hinten geschoben werden. Die betroffenen Knicks werden versetzt und wiederhergestellt.

Auch in Henstedt-Ulzburg müssen Bäume für die Erdverkabelung weichen

Henstedt-Ulzburg bildet einen Sonderfall. Nach heftigen Protesten aus der Gemeinde verschwindet die Ostküstenleitung hier auf einer Strecke von rund 900 Metern unter der Erde. Aber auch dafür müssen Bäume gefällt werden: Acht in einer Reihe stehende Bäume im Bereich westlich der Usedomer Straße und östlich der Pinnau-Wiesen müssen in den nächsten Wochen weichen.

Im Kisdorfer Wohld wird überall dort gerodet, wo später Masten aufgestellt werden sollen. Während direkt nach den Rodungsarbeiten mit dem Einrichten von Verbindungswegen für Baustellenfahrzeuge begonnen wird, geschieht in Henstedt-Ulzburg zunächst noch nichts: Die Tennet wartet zunächst auf den Planfeststellungsbeschluss. Aber auch dann ist noch nicht sicher, ob tatsächlich Tatsachen geschaffen werden können.

Der Netzbetreiber geht von einer friedlichen Einigung aus

Denn die Mehrheit der Gemeindepolitik hält den Protest gegen die vorgesehene Führung der 380-Kilovolt-Leitung quer durch den Ort aufrecht. CDU, SPD, FDP, BfB und WHU sind sich einig, dass bei einem Planfeststellungsbeschluss, der nicht im Sinne der Gemeindeforderungen ausfällt, Klage eingereicht wird. Auch der Bau eines Umspannwerkes in unmittelbarer Nähe des bebauten Ortsteiles Beckershof soll verhindert werden.

Gefordert wird eine Stromtrassenführung entlang der Autobahn. Nur die Grünen winken ab: Sie schließen sich der Protestbewegung nicht mehr an, weil sie das Fortkommen der Energiewende nicht länger behindern wollen. Der Netzbetreiber ist dennoch zuversichtlich: „Wir gehen davon aus, dass es im Zuge des Verfahrens eine Einigung geben wird“, sagt Tennet-Sprecher Sören Wendt. Er glaubt, dass mit der Verlegung des Erdkabels Anfang 2024 begonnen werden kann.

Für Eigentümer und Bewirtschafter im Bereich Kisdorfer Wohld soll es im Frühjahr noch eine Informationsveranstaltung geben. Auch dort ist eine Teilerdverkabelung vorgesehen.

Gruppenbild mit Protestplakat vor dem Waldkindergarten: Robert Habeck und Staatssekretärin Ingrid Nestle (vorne) waren im August 2015 in Henstedt-Ulzburg, um sich die Argumente der Ortspolitiker anzuhören. Auf dem Foto der damalige Bürgermeister Stefan Bauer, Karin Honerlah, WHU, Horst Ostwald, SPD, Tile Abel, BfB, Dietmar Kahle, CDU, der damalige Bürgervorsteher Uwe Schmidt, CDU, und Stephan Holowaty, FDP (von links).
Gruppenbild mit Protestplakat vor dem Waldkindergarten: Robert Habeck und Staatssekretärin Ingrid Nestle (vorne) waren im August 2015 in Henstedt-Ulzburg, um sich die Argumente der Ortspolitiker anzuhören. Auf dem Foto der damalige Bürgermeister Stefan Bauer, Karin Honerlah, WHU, Horst Ostwald, SPD, Tile Abel, BfB, Dietmar Kahle, CDU, der damalige Bürgervorsteher Uwe Schmidt, CDU, und Stephan Holowaty, FDP (von links). © Frank Knittermeier

Auch Grünen-Politiker Robert Habeck war in die Planung involviert

Die gesamte Ostküstenleitung soll spätestens 2027 von Göhl in Ostholstein bis zum Hamburger Randgebiet über eine Strecke von 130 Kilometern verlaufen. Der erste Abschnitt in den Kreisen Segeberg und Stormarn soll 2025 in Betrieb gehen, der zweite Abschnitt im Raum Lübeck-Siems 2026, der dritte Abschnitt Lübeck-Göhl 2027.

In die Planungen involviert war übrigens auch der damalige schleswig-holsteinische Energiewende-Minister und heutige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der 2015 nach Henstedt-Ulzburg reiste, um sich die Proteste der hiesigen Politiker anzuhören. Er begrüßte damals die Entscheidung der Bundesregierung für das Erdkabel-Pilotprojekt im Raum Henstedt-Ulzburg und Kisdorfer Wohld. Die Option Erdkabel könne helfen, an besonders schwierigen Stellen zur Entlastung von Mensch und Umwelt beizutragen, sagte der Grünen-Politiker Habeck. Die erhoffte Unterstützung für eine Verlegung der Gesamttrasse blieb allerdings aus.