Kreis Segeberg. Klinik in Borstel soll ab Januar wieder genutzt werden für Menschen aus der Ukraine. Auch Norderstedt bringt Planungen voran.

In wenigen Wochen soll die frühere, Ende 2021 geschlossene Lungenklinik des Forschungszentrums Borstel in Sülfeld wieder eine Großunterkunft für Geflüchtete werden. Und zwar für jene aus dem Kriegsgebiet der Ukraine. „Zur Unterstützung der Kommunen im Kreis Segeberg wird die Klinik in Borstel derzeit wieder hergerichtet“, bestätigt Sabrina Müller, Sprecherin des Kreises Segeberg. „Aktuell laufen verschiedene Ausschreibungen, unter anderem für das Catering, den Sicherheitsdienst etc. Die Öffnung ist für Mitte/Ende Januar geplant. Insgesamt können dort dann maximal 250 Menschen als Übergangslösung untergebracht werden. Weitere Notunterkünfte seitens des Kreises sind derzeit nicht geplant.“

Es ist eine Kehrtwende. Denn schon im vergangenen März hatte der Kreis zusammen mit dem Forschungszentrum diese Übergangslösung geschaffen, um einen Puffer zu haben für die überlasteten Städte und Gemeinden. Dort, wo früher pneumologische Erkrankungen behandelt wurden, lebten zeitweise Ukrainerinnen und Ukrainer. Das Deutsche Rote Kreuz kümmerte sich um die Betreuung. Als später, im Verlaufe des Sommers, die Zahlen der Menschen, die nach Deutschland kamen, zurückgingen, wurde die Klinik nicht mehr benötigt.

Kreis Segeberg: Früheres Krankenhaus wird wieder Unterkunft für Flüchtlinge

Nun, im Winter, ist das wieder anders. Schon Anfang Dezember hatte der Kreistag 2,6 Millionen Euro für die Reaktivierung der Unterkunft in den Haushalt für 2023 mit aufgenommen. Erwartet wird, dass mehr als die Hälfte hiervon vom Land oder über den Bund finanziert wird. Andernfalls müssten dies alle Kommunen über die Kreisumlage tragen.

Norderstedt: Die Stadt rechnet damit, dass die Mensa des Schulzentrums Süd ab Januar als Unterkunft für Flüchtlinge gebraucht wird.
Norderstedt: Die Stadt rechnet damit, dass die Mensa des Schulzentrums Süd ab Januar als Unterkunft für Flüchtlinge gebraucht wird. © dpa | Daniel Reinhardt

In Norderstedt, der größten Stadt des Kreises, laufen derweil zwar weiter die Vorbereitungen, um (wie berichtet) die Mensa des Schulzentrums Süd für Flüchtlinge bereitzuhalten. Aber, so berichtete es die Verwaltung im Sozialausschuss: Aktuell rechnet die Verwaltung nach Rücksprache mit dem Kreis nicht damit, dass in den Weihnachtsferien Flüchtlinge nach Norderstedt weitergeleitet werden. Daher geht man nicht davon aus, dass die Mensa in diesem Jahr belegt wird. Allerdings könnten die Räumlichkeiten „mit einer geringen Vorlaufzeit aktiviert werden“, hieß es.

Norderstedt erwartet im Winter mehr Menschen aus der Ukraine

Die Zahl der Geflüchteten in den städtischen Unterkünften blieb zuletzt konstant bei rund 1550 – dazu kommen rund 500 Ukrainerinnen und Ukrainer, die privat untergekommen sind. Die Prognosen waren im Laufe des Jahres zwar deutlich höher. Sozialdezernentin Katrin Schmieder: „Trotzdem muss jetzt im Winter insbesondere auf Grund der Zerstörung der Infrastruktur in der Ukraine mit einem erneuten deutlichen Anstieg der Zugangszahlen von dort gerechnet werden.“

Rechtzeitig zum Jahresende sind die vier neuen Mobilgebäude am Kringelkrugweg fertiggestellt. „Wir können zeitnah mit der Belegung, also insbesondere der Ukrainerinnen und Ukrainer aus den Wohnungen im Stonsdorfer Weg, beginnen.“ Bis zu 80 Personen werden hier dann leben.

Tobias Schloo (SPD), Vorsitzender des Sozialausschusses: Die Sozialdemokraten plädieren dafür, das „Norderstedter Modell“ als Konzept für Sozialwohnungen für Geflüchtete und weitere Menschen mit Anspruch auf Wohnraumförderung unter einem Dach wieder aufleben zu lassen. Der Antrag scheiterte.
Tobias Schloo (SPD), Vorsitzender des Sozialausschusses: Die Sozialdemokraten plädieren dafür, das „Norderstedter Modell“ als Konzept für Sozialwohnungen für Geflüchtete und weitere Menschen mit Anspruch auf Wohnraumförderung unter einem Dach wieder aufleben zu lassen. Der Antrag scheiterte. © Christopher Mey

Norderstedt wird über 20 Millionen Euro in weitere Standorte investieren

Weitere Vorhaben werden in den nächsten Jahren umgesetzt. Über den Nachtragshaushalt, den die Stadtvertretung am vergangenen Dienstag verabschiedete, wurden Mittel für vier weitere Standorte zur Verfügung gestellt: 4,2 Millionen Euro sind es für 2023, die Prognosen für 2024 und 2025 (abhängig vom künftigen Doppelhaushalt) belaufen sich auf 11,4 beziehungsweise 5,2 Millionen Euro. Gesondert hiervon laufen die Vorbereitungen für einen vergleichbaren Bau direkt neben der bestehenden Unterkunft an der Lawaetzstraße – die erwarteten Kosten: 2,5 Millionen Euro.

Die SPD versuchte im Sozialausschuss zudem, das „Norderstedter Modell“ wiederzubeleben. Also: Durch die Entwicklungsgesellschaft Norderstedt geplante Vorhaben mit zu 100 Prozent geförderten Wohnungen, die zur Hälfte für Flüchtlinge und ansonsten für weitere Menschen vorgesehen sind, die es auf dem Wohnungsmarkt aus verschiedensten Gründen schwer haben und die Anspruch auf eine Förderung haben.

Streit in der Politik: SPD findet keine Mehrheit für „Norderstedter Modell“

Seit wenigen Wochen ist ein solches Projekt mit 24 Wohnungen am Harkshörner Weg, nördlich der Feuerwache Friedrichsgabe, eröffnet und bezogen – ein weiteres am Lavendelweg im Garstedter Dreieck ist im Bau. Die Finanzierung für weitere Standorte war Anfang des Jahres trotz vorheriger Grundsatzbeschlüsse aus dem Doppelhaushalt 2022/2023 gestrichen worden durch die Mehrheit von CDU, FDP, WiN und Freien Wählern, die hier unter anderem einen falschen Integrations-Ansatz sahen.

Aus Sicht der SPD müssen weitere „Norderstedter Modelle“ gebaut werden, um dem Bedarf an Sozialwohnungen nachzukommen und zudem Kapazitäten für Geflüchtete zu schaffen. „Langfristig müssen wir als Stadt Norderstedt in der Lage sein, auch abgängige Unterkünfte wie die Geflüchtetenunterkunft Fadens Tannen zu ersetzen. Dafür brauchen wir ebenfalls ein breites Portfolio von Unterbringungsmöglichkeiten“, hieß es im Antrag. „Das Norderstedter Modell ist ein essenzieller Baustein und muss dringend wieder gestartet werden.“ Für 2023 sollten daher Planungskosten für eine Unterkunft bereitgestellt werden, für weitere dann im kommenden Doppelhaushalt.

Doch eine Mehrheit fand der Vorstoß erneut nicht, der Streit über dieses Konzept ist unverändert. „Mir wurde etwas anderes signalisiert von anderen Fraktionen: Dass diese zustimmen können, wenn die Unterkünfte zu 100 Prozent mit Flüchtlingen belegt werden“, sagte Tobias Schloo (SPD), Vorsitzender des Sozialausschusses. Er hatte entsprechende Änderungsanträge erwartet, diese blieben aber aus. „Das ist ernüchternd.“ Es ist unklar, ob es bei diesem Thema in den Monaten vor der Kommunalwahl noch einmal Bewegung geben wird.