Nahe. Auf dem Jakobsweg in Ruhe zu sich selbst finden: Warum immer mehr Menschen zu Fuß von Lübeck nach Hamburg laufen.

Pilgern – das ist auch im Kreis Segeberg möglich. Ein Abschnitt des Jakobsweges, die „Via Baltica“, verläuft direkt durch das Kreisgebiet. Viele Wanderer, die sich von Lübeck nach Hamburg auf den Weg begeben, kommen auf dem Pilgerweg am kirchlichen Gemeindehaus in Nahe vorbei. Es ist zu einem Fixpunkt für die Pilger geworden.

„Etwa 800 Pilgerinnen und Pilger haben in den vergangenen Jahren hier übernachtet“, sagt Pastor Ekkehard Wulf. Er ist der Ansprechpartner vor Ort. „Sie kamen vor allem aus Deutschland, aber auch aus etlichen anderen europäischen Ländern, vor allem aus dem skandinavischen Raum sowie aus Polen oder auch der Schweiz.“

Glaube: Ich bin dann mal weg – Pilgern geht auch im Kreis Segeberg

Für diese Gäste stellt Pastor Wulf seit zehn Jahren Reise- und Feldbetten im Gemeindehaus auf. Das Ganze ist eher provisorisch. Falls sich größere Gruppen anmelden, guckt er spontan wie alle unterkommen können, wegschicken würde er keinen.

„In den letzten Jahren hat die Nachfrage deutlich zugenommen“, sagt der Pastor. Dass es diese Übernachtungsmöglichkeit im Gemeindehaus in Nahe gibt, spreche sich vor allem durch Mundpropaganda unter den Pilgern herum, und auch in den gängigen Pilgerführern wurde darüber berichtet.

Fünf Tage wandern zwischen Lübeck und Hamburg

Die „Via Baltica“.
Die „Via Baltica“. © HA Grafik | Frank Hasse

Ludmila Schmidt (62) und Wolfgang Müller (70) haben durch eine Bekannte von der Unterkunft und dem Pilgerabschnitt auf der Via Baltica erfahren und sich relativ spontan auf den Weg gemacht, um das schöne Sommerwetter beim Wandern zu genießen. Die beiden haben vor, in fünf Tagen von Lübeck zum Hamburger Hauptbahnhof zu laufen und dann von dort wieder in ihre Heimat Bremen zu fahren.

„Montag sind wir in Lübeck angekommen und Dienstagmorgen ging es dann los“, erzählt Wolfgang Müller. Am ersten Tag seien sie direkt 30 Kilometer gelaufen. „Du gibst dir Mühe, und dann wirst du belohnt“, sagt Ludmila Schmidt. Natürlich ist die lange Wanderung mit Gepäck kein kleiner Spaziergang, trotzdem schwärmt sie von der Landschaft und den kleinen Orten, an denen sie vorbeilaufen: „Wenn du läufst, kannst du auch alles genau ansehen, ab und zu mal stehen bleiben und Fragen stellen.“

Beim Wandern über Gott und die Welt nachdenken

Sie freut sich, die Geschichte der Orte kennenzulernen oder einfach nachzudenken und abzuschalten. „Wir sind Pilger-Anfänger, aber wir sind schon immer viel gewandert“, erzählt Wolfgang Müller und Ludmila Schmidt fügt hinzu, dass dies eine andere Form von Aktivurlaub sei.

Bei ihnen steht die Bewegung im Mittelpunkt der Reise, die beiden sind nicht aus religiösen Gründen unterwegs. „Wir sind nachdenkliche und offene Menschen und denken viel über Gott und die Welt nach“, sagt Wolfgang Müller. Das Pilgern kann also für jeden interessant sein. „Leider haben wir keine anderen Pilger getroffen“, bedauert Ludmila Schmidt. Sie hätte gerne andere Menschen kennengelernt und sich mit ihren ausgetauscht.

Pastor Wulf aus Nahe: „Immer mehr junge Leute pilgern“

„Bei den Pilgerinnen und Pilgern handelt es sich vor allem um Menschen im Alter von etwa 50 Jahren aufwärts, aber gerade in den letzten zwei bis drei Jahren waren auch zunehmend jüngere Menschen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren unsere Übernachtungsgäste“, sagt Pastor Wulf. „Familien oder größere Gruppen hatten wir nur selten zu Gast.“

Die meisten Gäste würden auf der „Via Baltica“ den viertägigen Abschnitt zwischen Lübeck und Hamburg ablaufen, um für sich herauszubekommen, ob ihnen das Pilgern überhaupt liegt. „Andere sind schon überall unterwegs gewesen und erkunden nun pilgernd den Norden.“

Pastor Wulf selber sei auch schon in der näheren Umgebung gepilgert, um sich den Weg anzusehen, den seine Gäste entlang wandern. Später würde er das Pilgern dann auch gerne einmal richtig ausprobieren.

Kreis Segeberg: Übernachten im Pfarrhaus – gerne gegen eine Spende

Das kirchliche Gemeindehaus in Nahe ist die vierte Unterkunft, in der Ludmila Schmidt und Wolfgang Müller auf ihrer Pilgerreise unterkommen. Sie haben bereits in der Wohnung einer Kirche, in einem Privathaushalt und in einem Kloster übernachtet.

Die Unterkunft in Nahe muss man nicht bezahlen, es wird allerdings um eine Spende für „Brot für die Welt“ gebeten. Pastor Wulf: „Wer nichts geben kann oder möchte, ist uns selbstverständlich auch willkommen. Unsere Motivation liegt in einem Bibelwort: Gastfreundlich zu sein vergesst nicht, denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt – Hebräer 13,2.“

Pilgern auf der „Via Baltica“, wer im Naher Gemeindehaus (Rungenrade 2) übernachten möchte, meldet sich bei Pastor Wulf unter 04535/ 476 oder pastor.wulf.nahe@t-online.de. Auch spontane Übernachtungen seien meist möglich.