Kreis Segeberg. Rechts- und Linksradikale, Reichsbürger und Corona-Leugner: Was Verfassungsschützer 2021 im Kreis Segeberg beobachteten.

Rechtsextremistischen Gruppierungen ist es 2021 im Kreis Segeberg weniger gelungen, öffentlichkeitswirksam in Erscheinung zu treten. Das sagt der schleswig-holsteinische Verfassungsschutz in seinem Bericht für das Vorjahr. Verschwunden sind die Neonazis allerdings nicht. Vielmehr werden mehrere Aktionen und Feste erwähnt. Dazu hat das rechte Spektrum in vielen Orten den Anschluss an die über Monate präsente Bewegung von Gegnern der Corona-Maßnahmen und sogenannten „Spaziergängern“ gesucht.

Aufmerksam beobachtet wird auch die Entwicklung in Zusammenhang mit Protesten gegen die AfD und einen anstehenden Prozess wegen versuchten Totschlags gegen einen Mann, der 2020 in Henstedt-Ulzburg mit einem VW-Pickup in eine Gruppe Gegendemonstranten gefahren war.

Extremismus – so ist die Situation im Kreis Segeberg

Zu den bekanntesten Vereinigungen von Rechtsextremen im Kreis zählt seit 2019 der Aryan Circle. Zeitweise seien diesem bis zu 25 Personen zuzurechnen gewesen, heißt es. Mehrfach wurden Sachbeschädigungen, Bedrohungen und Körperverletzungen begangen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiterhin wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung. Im vergangenen Dezember waren drei Mitglieder unter anderem wegen Raubes zu Freiheitsstrafen verurteilt worden.

Aber, so besagt der Bericht: „Versuche des Aryan Circle, Anschluss an andere rechtsextremistische Kreise zu finden, schlugen fehl. Insbesondere die regionalen rechtsextremistischen Gruppierungen sahen im Aryan Circle und ihrem Anführer in erster Linie Kriminelle.“

„Aryan Circle“ und „Nationalsozialisten Bad Segeberg“ existieren weiterhin

Beobachtet wurden im Vorjahr nur noch Äußerungen im Internet, die aber wenig Resonanz erzeugten. Das trifft auch auf eine weitere Gruppierung zu, die rund zehn Personen umfassenden „Nationalsozialisten Bad Segeberg“, die nicht mit Veranstaltungen aufgefallen seien.

Die NPD und die Jungen Nationalisten führten am Volkstrauertag an einem Ehrenmal im Kreis das geschichtsrevisionistische Heldengedenken durch. Hierbei werden Verbrechen der Wehrmacht umgedeutet und die Opfer ignoriert. Ähnlich laufen die Aktionstage „Schwarze Kreuze“ ab. Immer am 13. Juli werden an markanten Plätzen Holzkreuze aufgestellt, die an „deutsche Opfer“ von Straftaten erinnern. Auch im Kreis Segeberg wurden diese wiederholt entdeckt.

Polizei löste rechte Feier in der Segeberger Heide auf

„Indem gezielt auf die Herkunft von Opfer und Täterinnen und Täter hingewiesen wird, soll eine Bedrohung des deutschen Volkes durch einen Feind von außen suggeriert und Migration als ausnahmslos schädlich und gefährlich für die Gesellschaft dargestellt werden. In dieser Propaganda manifestiert sich die für die Szene prägende nationalistische und rassistische Idee der Volksgemeinschaft“, urteilt der Verfassungsschutz.

Auffällig war zudem am 21. August eine Feier in der Segeberger Heide mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch aus anderen Bundesländern. Diese „unterstrich die Bedeutung solcher Zusammenkünfte für die realweltliche und überregionale Vernetzung der Szene“. Die Polizei löste die Veranstaltung auf.

Corona-Leugner und Impfgegner vernetzen sich lokal

Ein neueres Phänomen war die Protestbewegung gegen die Corona-Maßnahmen und Impfungen. Hier wurden allein in Bad Segeberg 23 Versammlungen registriert. Die sogenannten „Spaziergänge“ fanden als nicht angemeldete Veranstaltungen über Wochen in vielen Gemeinden und Städten statt, teilweise mit mehreren Hundert Personen. Oftmals vernetzte man sich über lokale Telegram-Gruppen, in denen verschwörungsideologische und teils auch antisemitische Inhalte geteilt wurden. Im Sinne der Verhältnismäßigkeit begleitete die Polizei diese zwar, verzichtete aber auf eine Auflösung.

„Grundlegend setzte sich das Protestgeschehen aus einer heterogenen ,Mischszene’ zusammen. Diese reichte von der bürgerlichen Mitte bis an den rechten Rand und speist sich aus Impfgegnern, Reichsbürgern, kritischen Bürgern, Esoterikern, Verschwörungserzählern und Angehörigen der Rechten, die aus verschiedenen, teils auch konträren Motiven und ideologischen Hintergründen die Versammlungen besuchten“, so der Bericht.

Auto-Angriff in Henstedt-Ulzburg „wichtiges Thema“ für linke Szene

Im linksautonomen Spektrum verzeichnet der Verfassungsschutz in Norderstedt eine Ortsgruppe der Interventionistischen Linken. Diese sei „klein, eher unbedeutend“. Generell spielt laut Verfassungsschutz der Vorfall aus dem Jahr 2020 in Henstedt-Ulzburg – jener Angriff mit einem Auto nach einer AfD-Veranstaltung im Bürgerhaus, „weiterhin eine bedeutende Rolle in der Szene“, denn: „Ihrer Ansicht nach handelt es sich um einen politisch motivierten Mordanschlag.“

Man erwarte, „dass der noch ausstehende Prozess gegen den Fahrer wegen versuchten Totschlags intensiv begleitet und mit Aktionen flankiert werden wird“. Laut Landgericht Kiel gibt es für den Prozess noch keine Termine.

Norderstedt: Deutsch-Iraner wegen Embargo-Verstoß festgenommen

Ein Sonderfall ist die Festnahme eines in Norderstedt lebenden Deutsch-Iraners am 14. September auf Veranlassung der Bundesanwaltschaft. Dem Geschäftsmann wird vorgeworfen, verbotene Güter in den Iran exportiert zu haben, die für das Nuklear- und Raketenprogramms vorgesehen waren. Hierbei geht es um einen Gesamtwert von 1,1 Millionen Euro. Der Mann soll Handel mit einer Firma betrieben haben, die auf einer Embargo-Liste der EU steht.