Kreis Segeberg. Gerade in der wichtigsten Saison des Jahres fehlen 1000 Fachkräfte. Das Gastgewerbe reagiert mit kreativen Lösungen.

Sonniges Wetter, Sommerferien und auch Winnetou reitet bereits bei den Karl-May-Spielen – die Urlaubssaison hat offiziell begonnen, aber: Den Gastronomen und Hoteliers im Kreis Segeberg fehlen Fachkräfte. „Köche, Rezeptionistinnen, Barkeeper, Service- und Reinigungskräfte werden händeringend gesucht. Ohne sie kann die Branche in der wichtigsten Saison des Jahres nicht durchstarten“, sagt Johann Möller von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG).

„Im schleswig-holsteinischen Gastgewerbe fehlen knapp 1000 Fachkräfte“, ergänzt Stefan Scholtis, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands im Norden. Die Zahl der offenen Stellen ist im Vergleich zum Vorjahr um 43 Prozent gestiegen, hat die Arbeitsagentur ermittelt. Die Lage sei in Teilen angespannt.

Restaurants im Kreis Segeberg: Die Lage ist angespannt

Lutz Frank, Chef des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) im Kreis Segeberg, bestätigt die Aussage: „Vor allem fehlen uns die Aushilfskräfte. Die meisten Mini-Jobber haben ihre Arbeit durch die Pandemie verloren.“ In einer Zeit, in der Restaurants wegen Corona mal geöffnet und dann wieder geschlossen waren, Hotels kaum Gäste beherbergen konnten, seien die Aushilfen nicht zu halten gewesen.

Auch Fachkräfte hätten ihre Jobs verloren oder sich selbst Arbeit in einer anderen Branche gesucht. Die meisten gut ausgebildeten Beschäftigten seien aber geblieben, da hätten das Kurzarbeitergeld der Bundesregierung und die finanziellen Hilfen für die Gastronomen geholfen.

Segebergs Dehoga Chef Lutz Frank sieht trotz Personalmangel positiv in die Zukunft von Gastronomie und Hotellerie.
Segebergs Dehoga Chef Lutz Frank sieht trotz Personalmangel positiv in die Zukunft von Gastronomie und Hotellerie. © Helge Buttkereit

Für die Hotelbranche im Kreis Segeberg rechnet Gewerkschafter Möller mit einer hohen Auslastung für die kommenden Monate: „Nach fast zweieinhalb Jahren Corona machen viele Menschen zum ersten Mal wieder richtig Urlaub. Der Tourismus im eigenen Land steht dabei hoch im Kurs. Hinzu kommen die Geschäftsreisenden, manche verschobene Geburtstags- oder Hochzeitsfeier wird nachgeholt.“

Damit die Pläne der Gäste nicht an fehlenden Rezeptionisten und Köchen scheitern, müsse die Branche für die Beschäftigten attraktiver werden, ist Möller überzeugt. Das gelinge nur, indem sich Löhne und Arbeitsbedingungen verbesserten.

Gastronomie und Hotels: Viele Betriebe zahlen über Tarif

„Diese Argumente kommen immer wieder und erstaunen uns Gastronomen, denn wir legen die Löhne turnusmäßig gemeinsam mit der Gewerkschaft fest“, sagt Lutz Frank. Bei den Azubis hätten die Arbeitgeber sogar noch etwas draufgepackt. Und: „Viele Betriebe zahlen ohnehin schon über Tarif“, sagt der Dehoga-Vorsitzende, der am Ihlsee in Bad Segeberg ein Restaurant betreibt.

Die Arbeitszeiten ließen sich kaum verändern. „Wenn ein Gast um 21 Uhr eine Pizza bestellt, können wir kaum sagen, dass seit drei Stunden bei uns Feierabend ist“, sagt Frank. Die Arbeitsbedingungen könnten verbessert werden. Wenn es zusätzliches Personal gäbe, könne der Einzelne entlastet werden.

„Es ist wichtig, Arbeitszeiten im Sinne der Beschäftigten zu organisieren“, fordert Gewerkschafter Möller. Er mahnt zugleich die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes an. Auf das Personal komme eine hohe Mehrbelastung zu. Aber die gesetzlichen Vorschriften, die die Beschäftigten schützen, dürften nicht unterlaufen werden. Ein Herumexperimentieren am Arbeitszeitgesetz, wie es die FDP in den Berliner Koalitionsvertrag hineinverhandelt hat, sei nicht der richtige Weg.

Kreis Segeberg: Dehoga-Chef sieht Licht am Ende des Tunnels

Nach schwierigen Corona-Jahren sieht Lutz Frank Licht am Ende des Tunnels: „Viele Abiturienten bewerben sich nach dem Schulabschluss jetzt um einen Job in der Hotellerie oder Gastronomie.“ Er habe vier junge Leute eingestellt, die im Service und in der Küche helfen. Sie wollten nach dem Abitur erstmal Geld verdienen, bevor sie in ein Studium starten, oder sie wollten sich ein finanzielles Polster für Auslandsreisen erarbeiten.

Die Aushilfskräfte seien motiviert, und wenn sie sich geschickt anstellen, könnten sie personelle Lücken durchaus schließen. Noch im April und Mai habe er mit Schrecken auf den Personalbestand geguckt, sagt Frank: „Da waren erst 30 von 50 da. Und beim Blick ins Reservierungsbuch war klar: Das reicht bei weitem nicht.“

Restaurants im Kreis Segeberg schließen mit kreativen Lösungen Personallücke

Jetzt aber spüre er eine positive Stimmung, die Zahl der Beschäftigten wachse wieder. Die Kollegen hätten die Pandemie genutzt, um über Speisekarten und Öffnungszeiten nachzudenken und kreative Lösungen gefunden, um die Lücken zu schließen. „Da gibt es jetzt einen oder einen zusätzlichen Ruhetag, Restaurantflächen wurden ebenso verringert wie das kulinarische Angebot, besonders aufwendige Gerichte wurden herausgenommen“, sagt Frank.

Zwar gebe es noch Luft nach oben, aber Segebergs Hotelbetreiber und Gastronomen seien gut aufgestellt. Frank bittet die Gäste um Verständnis, wenn sie doch mal ein paar Minuten warten müssten. Wenn Köche und Servicekräfte ansprechend bezahlt werden, könne es auch für die Gäste möglicherweise teurer werden, sagt Gewerkschafter Möller: „Für ein sauberes Hotelzimmer und einen guten Service sollte man bereit sein, etwas mehr auszugeben. Das gilt auch im Restaurant. Ein Schnitzel für neun Euro ist heute nicht mehr machbar“. Lutz Frank verbreitet Optimismus: „Wir freuen uns auf eine tolle Saison.“