Norderstedt. Mitten in Henstedt-Ulzburg soll „Ostküstenleitung“ verlegt werden. Warum Grüne Parteienallianz gegen das Vorhaben verlassen.

Die Parteienallianz gegen die „Ostküstenleitung“ in Henstedt-Ulzburg bricht auf: Der Ortsverband der Grünen in der Großgemeinde hat sich für die Umsetzung der umstrittenen 380-KV-Trasse im Ort ausgesprochen.

Die übrigen Fraktionen in der Gemeindevertretung – CDU, SPD, FDP, BFB und WHU – üben harsche Kritik an den Grünen und sprechen sich weiterhin vehement gegen den geplanten Trassenverlauf im Ort aus. Sie wollen dagegen sogar notfalls klagen.

Erneuerbare Energien: Ostküstenleitung soll durch Henstedt-Ulzburg laufen

„Die Bekämpfung der Klimakatastrophe ist die größte und relevanteste Herausforderung der jüngeren Menschheitsgeschichte“, argumentieren Ute Kubath und Hauke Welp vom grünen Ortsverband.

Vor diesem Hintergrund und zusätzlich angesichts der Energiekrise durch den Ukraine-Krieg und der Dringlichkeit, sich von russischem Gas und Öl unabhängig machen zu müssen, hätte man die Lage neubewertet.

Erneuerbare Energien: Grünen unterstützen Bau der Ostküstenleitung

Man kam zu dem Schluss, dass die geplante unterirdische Trassenführung in Henstedt-Ulzburg und die geplante Verlegung des Erdkabels im Bereich des Biotopes im sogenannten „Düker-Verfahren“ für die Grünen „annehmbare Lösungen“ seien.

„Die geplante Klage Henstedt-Ulzburgs mit dem Ziel einer Verlegung der Trassenführung an die im Bau seit Jahren stagnierende A20 hat nicht nur einen offenen Ausgang mit hohen Kosten, sondern blockiert vor allem auf unbestimmte Zeit das Fortkommen der eklatant wichtigen Energiewende“, so Kubath und Welp. „Deswegen ist aus Sicht der Grünen der Zeitpunkt gekommen, das Planfeststellungsverfahren zur Ostküstenleitung konstruktiv zu unterstützen, damit keine weitere Verzögerung eintritt.“

Henstedt-Ulzburg: Übrige Parteien sind stinksauer auf Grüne

Damals waren die Grünen noch beim Protest dabei: 2018 demonstrieren Vertreter aller Parteien Henstedt-Ulzburgs und Bürgerinnen und Bürger für die Verlegung der Ostküstenleitung entlang der A20.
Damals waren die Grünen noch beim Protest dabei: 2018 demonstrieren Vertreter aller Parteien Henstedt-Ulzburgs und Bürgerinnen und Bürger für die Verlegung der Ostküstenleitung entlang der A20. © Christopher Herbst

Stephan Holowaty (FDP), Jens Iversen (BFB) und Michael Meschede (CDU) werfen den Grünen nun vor, ihre Gemeinde und die Bürgerinnen und Bürger „kläglich im Stich“ zu lassen. Der russische Angriffskrieg sei eine „fadenscheinige Begründung“, plötzlich für den Bau der Ostküstenleitung mitten durch Henstedt-Ulzburg zu begrüßen.

„Energiewende und Unabhängigkeit von russischem Gas haben absolut nichts mit der Trasse der Ostküstenleitung zu tun. Vielmehr würde in jedem Fall die Trassenführung entlang der geplanten A20 für alle Beteiligten mehr Sinn machen und wäre auch schneller umsetzbar“, so die drei Kritiker in einer gemeinsamen Mitteilung.

So seien dort die meisten der erforderlichen Flächen in Landeseigentum, wodurch sich ein Kostenvorteil von 90 Millionen Euro ergebe. „Auch sei spätestens mit dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag nochmals ausdrücklich auch von den Grünen unterschrieben worden, dass die A20 tatsächlich kommt – und zwar genau auf der geplanten Trasse.“

Ostküstenleitung: SPD-Bundestagsabgeordneter Bergt ist dafür

Rückendeckung für die Grünen kommt hingegen aus Berlin: Der Norderstedter SPD-Bundestagsabgeordnete Bengt Bergt hat sich für eine „bürgerfreundliche und zügige“ Umsetzung der 380-Kilovolt-Stromtrasse ausgesprochen. Und das, obwohl die SPD in Henstedt-Ulzburg Teil der Allianz gegen das Projekt ist.

Das Leitung sei ein wichtiger Beitrag für günstigeren Strom, betont Bergt. „Die künftige Ostküstenleitung wird dazu beitragen, dass diejenigen, die einen großen Beitrag für den Ausbau der Erneuerbaren leisten, endlich auch bei den Netzentgelten entlastet werden – nämlich die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner.“

Das neue Stromnetz werde effizienter und günstiger. Die Netzentgelte würden sinken und damit die Stromrechnung der Bürgerinnen und Bürger, sagt der stellvertretende energiepolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. „Das ist gerade angesichts steigender Energiepreise eine gute Nachricht.“

Die alten Stromnetze seien oft nicht in der Lage, so viel Energie aus erneuerbaren Quellen aufzunehmen, wie produziert wird. Das habe zur Folge, dass energieerzeugende Anlagen – etwa Windkraftanlagen – abgeschaltet und Entschädigungen an ihre Betreiber gezahlt werden müssen.

Erneuerbare Energien: Trasse laufe bürgerfreundlich durch Henstedt-Ulzburg

Diese sogenannten „Abregelungskosten“ beliefen sich laut Bundesnetzagentur allein im Jahr 2020 in Schleswig-Holstein auf etwa 332 Millionen Euro. Pro Kopf seien das 115 Euro pro Jahr. Derzeit stehe Schleswig-Holstein deutschlandweit auf Platz eins bei der Höhe der Netzentgelte.

„Der Henstedt-Ulzburger Initiative gegen die 380-KV-Trasse gebührt allerhöchster Respekt, hat sie doch dafür gesorgt, dass jetzt die bürgerfreundliche Dükerbohrung zum Einsatz kommt“, sagt Bengt Bergt. „Ich hoffe, dass der Bau nun aber schnellstmöglich beginnen kann, denn gerade jetzt ist es wichtig, dass wir zügig alle Maßnahmen ergreifen, die Stromkosten senken.“