Kiel/Norderstedt. Drei Jugendliche hatten den Räubern den Tipp gegeben, das bei der Familie was zu holen ist.

Vor der Jugendstrafkammer des Kieler Landgerichts mussten sich seit am Dienstag drei Heranwachsende aus dem Kreis Segeberg wegen Anstiftung zum erpresserischen Menschenraub verantworten. Die drei Angeklagten sollen im Dezember 2016 drei Erpresser zu einem Raubüberfall auf eine Familie in Norderstedt angestiftet haben. Doch kurz vor Beginn der auf drei Tage angesetzten Berufungsverhandlung nahmen alle Beteiligten ihre Rechtsmittel zurück und der Prozess wurde abgesetzt. Das vorinstanzliche Urteil des Amtsgerichtes Norderstedt ist damit rechtskräftig.

In Norderstedt machte der mysteriöse Raubüberfall von drei maskierten Männern auf eine Mutter und ihren Sohn im Dezember 2016 Schlagzeilen. Mitten in der Siedlung Harksheide, zwischen Kirche, Fußball- und Kinderspielplatz, drangen die Täter gegen Mitternacht in die Wohnung der Opfer ein. Offenbar wussten sie, dass hier Bargeld und Schmuck aus einem Tresor zu holen war.

Der Räuber hielt dem 15-jährigen Sohn ein Messer an den Hals

Einer der Dunkelmänner klopfte an die Terrassentür. Der Junge (15) dachte auf einen Besuch von Freunden und öffnete arglos. Drei Vermummte drängten ihn zurück, hielten ihm plötzlich ein Butterflymesser mit 10 Zentimeter langer Klinge an den Hals.

Die aus dem Schlaf gerissene Mutter (50) bangte um das Leben ihres Kindes und öffnete unter dem Druck der bewaffneten Erpresser den Tresor. Die Täter fesselten beide Opfer, bevor sie mit mehr als 10 000 Euro Bargeld und Schmuck flüchteten.

Mutter und Sohn blieben körperlich unverletzt, konnten sich selbst befreien und verständigten die Polizei. Eine umgehende Fahndung mit mehreren Streifenwagen blieb erfolglos. Noch in der Tatnacht teilten sich die Einbrecher die Beute mit drei Jugendlichen, die ihnen den Tipp dafür gegeben hatten.

Sechs Wochen später, im Januar 2017, nahm die Polizei den mutmaßlichen Haupttäter fest. Der 19-jährige Syrer legte „so eine Art Lebensbeichte“ ab, teilte der Sprecher der Kieler Staatsanwaltschaft, Axel Bieler, damals mit. Bereits Ende Oktober 2016 hatte der Festgenommene eine Esso-Tankstelle überfallen.

Der Haupttäter (19) räumte sechs Überfälle ein

Nach eigenem Geständnis gehörte der Syrer zu einer Bande, die im Raum Norderstedt noch vier weitere Überfälle auf Spielhallen und ein Wettbüro begangen hatte, wo man mindestens 2250 Euro erbeutete. Als sechste Tat räumte er den Überfall auf Mutter und Sohn ein. Der inzwischen rechtskräftig verurteilte 19-Jährige verriet auch die Identität seiner Komplizen.

So gerieten jene drei Jugendlichen in den Fokus der Ermittler, die den Hinweis auf den Tresor gegeben und einen nahezu Gleichaltrigen regelrecht „ans Messer geliefert“ hatten. Zwei 18-Jährige akzeptierten später ihre Urteile. Erst am Montagnachmittag dieser Woche, kurz vor Beginn seiner dreitägigen Berufungsverhandlung vor dem Kieler Landgericht, nahm auch der letzte Beteiligte sein Rechtsmittel zurück.

Der jüngste Mittäter war erst 16 Jahre alt

Der zur Tatzeit noch 16-jährige D. war in erster Instanz vom Jugendschöffengericht verwarnt worden. Er sollte 1500 Euro an die Jugendhilfeverein Regenbogen e.V. in Kaltenkirchen zahlen und 150 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Mit der Rücknahme seiner Berufung nahm der heute 22-Jährige diese Auflagen an. Im Gegenzug nahm auch die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel zurück.

Die Anklagebehörde hatte eine härtere Sanktion gefordert. Fünfeinhalb Jahre nach dem Vorfall nahm sie das Urteil auch im Hinblick auf die lange Verfahrensdauer doch noch an. Damit wird das Norderstedter Urteil rechtskräftig. Ob D. das ein Jahr jüngere Opfer und dessen Mutter persönlich kannte und deshalb vom Tresor wusste, ließ sich am Dienstag nicht klären.

D. und ein damals 18-Jähriger wurden vom Jugendgericht wegen erpresserischen Menschenraubes verurteilt, obwohl sie selbst nicht am Tatort waren. Dem dritten Tippgeber hatte das Jugendgericht nur Beihilfe vorgeworfen