Bad Segeberg. Jüdische Gemeinde schaltet die Polizei ein und informiert Meldestelle für antisemitische Vorfälle. Das bedeutet die Aufschrift.

Nach einem Vorfall vor der Synagoge in Bad Segeberg ermittelt die Polizei wegen „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“. Das ist passiert: Unbekannte haben offenbar in den Morgenstunden des 9. Mai einen der sechs Stolpersteine mit einer beschrifteten Folie überklebt.

Torben Miehle, Sprecher des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein, geht von einer „Bedrohungslage“ aus und vermutet, dass die rechte Szene für diesen Vorfall verantwortlich ist. Er informierte auch die Meldestelle für antisemitische Vorfälle. Miehle ist gleichzeitig Sicherheitsbeauftragter der Segeberger Synagoge am Jean-Labowsky-Weg. Er war von Passanten auf diesen Vorfall aufmerksam gemacht worden.

Antisemitismus: Stolperstein vor Synagoge überklebt

Der Aufkleber ist in der Form des Stolpersteins gehalten und fällt nur bei genauem Hinsehen auf. Die Beschriftung ist auch schon an anderen deutschen Orten verwendet worden: „Maria († 19) Freiburg".

Was sich hinter dieser Aussage verbirgt, ist nicht jedem bekannt: Die damals 19 Jahre alte Maria L. war am 16. Oktober 2016 in Freiburg im Breisgau von einem afghanischen Flüchtling vergewaltigt und anschließend ermordet worden. Das Verbrechen erregte aufgrund der Herkunft des Täters landesweit Aufmerksamkeit. Es war Gegenstand verschiedener gesellschaftlicher Diskurse, wobei unter anderem die Art der Medienberichterstattung thematisiert wurde.

Mord an Maria L.: Familie des Opfers wurde bedroht

Aus der rechten Szene wurde dem Vater des Opfers vorgeworfen, als hoher EU-Beamter eine Mitverantwortung für die Flüchtlingskrise zu haben. Dazu gehört auch, dass in Folge der Tat die Familie Ladenburgers Morddrohungen und Hassnachrichten erhielt, da sie zur Besonnenheit aufrief.

Der Täter Hussein K. wurde im März 2018 vom Landgericht Freiburg wegen Mordes und besonders schwerer Vergewaltigung nach Erwachsenenstrafrecht zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht ordnete zusätzlich anschließende Sicherungsverwahrung an und stellte die besondere Schwere der Schuld fest.

Maria L. gilt der rechten Szene als "Märtyrerin"

„Bis heute wird die junge Frau als Märtyrerin der Rechten gesehen“, sagt der Segeberger Historiker Axel Winkler, der die Verlegung der Stolpersteine in seiner Heimatstadt angeregt und organisiert hatte. Vor diesem Hintergrund wird die Folien-Tat von Bad Segeberg sowohl von der Polizei als auch von der jüdischen Gemeinde sehr ernst genommen.

Torben Miehle geht davon aus, dass man Aufmerksamkeit erzeugen und den Tod jüdischer Mitbürger relativieren möchte: „Es ist für mich kein Zufall, dass dafür der 9. Mai auserkoren wurde.“ Am 8. oder 9. Mai wird in vielen Ländern weltweit der Sieg über Nazi-Deutschland 1945 gefeiert.

Der überklebte Stolperstein ist Leopold Bornstein gewidmet, einem Religionslehrer und Kantor der Jüdischen Gemeinde aus Bad Segeberg. Er war immer wieder vor den Faschisten geflohen. 1942 wurde er im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet. Seit 2009 lag der Stein zusammen mit fünf anderen vor der Segeberger Synagoge.

Jüdische Gemeinde hofft auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft

Miehle weiß, dass es kein Problem ist, den Maria-Aufkleber im Internet zu bestellen, ist jedoch überrascht, dass er jetzt auch in Bad Segeberg verwendet wurde. Materieller Schaden sei nicht entstanden, da sich die Folie leicht und ohne Rückstände vom Stolperstein habe abziehen lassen. Da er weiß, dass nach ähnlichen Vorfällen in anderen Orten die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde, geht er davon aus, dass sie auch hier tätig werden wird.

Im vergangenen Dezember waren die Sicherheitsmaßnahmen an der Synagoge verschärft worden, nachdem ein Unbekannter versucht hatte, über den Stacheldrahtzaun zu klettern, um auf das Gelände des jüdischen Gemeindezentrums zu gelangen.