Hundehaltung

Beißattacke von Wittenborn: Peta fordert Hundeführerschein

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Andreas Burgmayer
Training für den Hundeführerschein: In Niedersachsen und Berlin müssen ihn Hundehalter vorweisen

Training für den Hundeführerschein: In Niedersachsen und Berlin müssen ihn Hundehalter vorweisen

Foto: Robert Günther / dpa-tmn

Nach lautem Torjubel wurden drei Männer von einem Hund angegriffen und verletzt. Wer trägt die Schuld: Hund oder Halter?

Wittenborn.  Der Fall eines Hundes, der in Wittenborn nach dem Torjubel seines Herrchens und zweier seiner Freunde derart aufgeschreckt wurde, dass er die Männer angriff, sorgt für bundesweites Aufsehen. Die Tierschutzorganisation Peta fordert angesichts des Vorfalls die Einführung eines Hunde-Führerscheines für Schleswig-Holstein.

Rückblende: Das Champions-League-Halbfinale zwischen Real Madrid und Manchester City am Mittwoch war dramatisch und völlig verrückt. Drei Männer in Wittenborn verfolgten es am TV und als die nicht mehr möglich geglaubten Tore für Real Madrid fielen, jubelten die drei ungezügelt und lautstark. Der Hund des Gastgebers der Fußball-Party war ebenfalls im Raum – und griff plötzlich an.

Plötzlich war ein Messer im Spiel - der Hund starb

Nach Angaben der Polizei Segeberg verbiss er sich zunächst in den Armen und Beinen seines Herrchens. Als die beiden Freunde des Mannes helfen wollten, wurden auch sie angegriffen. Schließlich kam ein Messer ins Spiel, der Hund wurde damit schwer verletzt, sodass er wenig später starb. Die Männer wurden mit schweren Bisswunden in ein Krankenhaus eingeliefert.

Polizeisprecherin Sandra Firsching hält sich bedeckt über das Alter der Männer und die Rasse des Hundes – der Ort Wittenborn ist klein, eine Identifizierung der Beteiligten wäre zu einfach. Wie das Abendblatt erfuhr, handelt es sich bei dem Hund aber um ein eher kräftiges bis bulliges Tier.

Wenn ein Tier zubeißt – noch dazu sein Herrchen – dann stellen sich Hundehalter viele Fragen. Hatte der Mann sein Tier im Griff? Wurde es falsch erzogen oder gehalten? Wurde es vielleicht sogar abgerichtet, aggressiv zu sein?

Von der Polizei gibt es dazu zunächst keine Antworten. „Die Ermittlungen laufen noch. Wenn ein Tier beißt, wird immer dem Verdacht der fahrlässigen Körperverletzung nachgegangen“, sagt Firsching. „Außerdem wird geprüft, ob das Tier verhaltensauffällig war, ob es tierschutzrechtliche Verstöße gab oder ob das Tier schlecht gehalten wurde.“

Nicht der Hund, der Halter ist das Problem, sagt Peta

Für die Tierrechtsorganisation Peta scheint der Fall indes schon klar zu sein. Sie geht von einem fehlerhaften Verhalten des Tierhalters aus und fordert die Landesregierung auf, den sogenannten Hundeführerschein in Schleswig-Holstein einzuführen. „Dieser Fall ist besonders schockierend und tragisch. Meist liegt das Problem jedoch nicht beim Hund, sondern am anderen Ende der Leine. Viele Halterinnen und Halter können das Verhalten, die Signale und die Körpersprache ihrer Vierbeiner nicht richtig deuten und einschätzen. Somit ist die wahre Ursache für Beißattacken bei ihnen zu suchen – nicht beim Tier“, sagt Jana Hoger, Fachreferentin für tierische Mitbewohner bei Peta. „Jeder Hund, der falsch gehalten oder behandelt wird, kann zu einer Gefahr für Mensch und Tier werden – unabhängig davon, ob er einer ‚Rasse‘ angehört oder ein ‚Mix’ ist.“ Der Hundeführerschein sehe vor, dass künftige Halter und Halterinnen bereits vor Aufnahme eines Hundes einen Theoriekurs absolvieren, in dem sie das notwendige Fachwissen über eine tiergerechte Haltung und Aspekte wie Kommunikation und Bedürfnisse von Hunden erwerben. Anschließend folge für Halter und Hund ein gemeinsames obligatorisches Praxisseminar in einer Hundeschule.

Ein solcher Nachweis, so Peta, könne sicherstellen, dass Menschen, die Hunde halten, fachkundig mit dem Tier umgehen und die Signale des Vierbeiners richtig deuten. Eine funktionierende Kommunikation zwischen Hund und Halter sei unerlässlich, um Beißvorfälle zu verhindern.

Als erstes deutsches Bundesland habe Niedersachsen einen Sachkundenachweis für Hundehalter beschlossen – seit Juli 2013 ist der allgemeine Hundeführerschein dort verpflichtend. Laut Peta sei die Zahl der Beißvorfälle dort nach drei Jahren zurückgegangen.

Wer in Berlin seit 2017 einen Hund neu aufgenommen habe, sei ebenfalls dazu aufgefordert, sich die notwendige Sachkunde anzueignen. Peta zitiert auch eine angeblich repräsentative Umfrage aus dem Jahr 2016, in der sich 65 Prozent der Deutschen für einen Sachkundenachweis für Hundehalter und Halterinnen ausgesprochen haben sollen.

Ein verpflichtender Hundeführerschein habe laut Peta einen weiteren Vorteil: Er könne Menschen, die sich noch nicht ausführlich mit der Hundehaltung auseinandergesetzt haben, von einem eventuellen Impulskauf eines Tieres abhalten. Jedes Jahr würden 80.000 Hunde in deutschen Tierheimen landen, darunter sehr viele Tiere, die unüberlegt angeschafft und wieder abgegeben wurden.

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