Danke, Tangstedt. Für die Hilfsbereitschaft, die in diesem Ort (und natürlich auch anderswo) den ukrainischen Kriegsflüchtlingen entgegengebracht wird.

47 Menschen, die aufgrund der privaten Initiative britischer Geschäftsleute per Bus nach Tangstedt gebracht und hier in einem Hotel untergebracht wurden. Das ist Europa, so soll es sein.

1600 Kilometer liegen zwischen Tangstedt und Kiew. Zwischen Frieden und Krieg. Von Tangstedt nach Palma de Mallorca sind es auch bloß 1600 Kilometer. Dort urlauben jetzt etliche Deutsche – in Hamburg sind schon Frühjahrsferien, bei uns ist es in zwei Wochen auch soweit. Auf Mallorca blühen die Mandelbäume, in Kiew blüht einem der Tod. Und dazwischen sind wir. In unserem Zuhause in Norderstedt, Wahlstedt, Kattendorf oder sonstwo im Landkreis. Gucken Katastrophe im „ARD-Brennpunkt“ und empfangen zeitgleich die unbeschwerten Urlaubs-Selfie-Grüße unserer verreisten Freunde auf Social Media. Die reinste Newsflash-Schizophrenie. Wer da nicht kirre wird, merkt gar nichts mehr. Da die meisten von uns – glücklicherweise! – jedoch zur Sensibilität fähig sind, überfordert viele das auf engstem Raum erlebte Gefälle von „heiler Welt“ bis „völlig kaputt“ verständlicherweise. Aktive Hilfe leisten ist ein guter Weg, die eigene Hilflosigkeit zu überwinden. Das funktioniert in Norderstedt, Wahlstedt oder Kattendorf genauso wie in Tangstedt. Wer auf die „Tagesschau“ wie das Kaninchen auf die Schlange starrt und auch nach Sendeschluss nicht in die Puschen kommt, leidet fortdauernd. Denn Verdrängung hilft in diesem Krisenfall auch nicht weiter. Die Illusionsblase, mit all dem überhaupt nichts zu tun zu haben, platzt spätestens an der nächsten Tankstelle. Dass Wladimir Putins militärischer Überfall auf die Ukraine auch ein Überfall auf uns ist, spüren wir täglich – und zwar sicher noch lange, ob in Norderstedt, Wahlstedt, Kattendorf oder Tangstedt. Wir sehen nicht vom Rand aus zu. 1600 Kilometer bis zum Urlaub, 1600 Kilometer bis zum Krieg. Wir sind mittendrin in Europa, zwischen Mandelbäumen und Bomben. Aber nicht hilflos.