Kolumne Quarantänetagebuch

Grand Slam 2022: Erst-, Zweit und Booster-Impfung

| Lesedauer: 3 Minuten
Jan Schröter
Jan Schröter schreibt das Quarantänetagebuch im Abendblatt.

Jan Schröter schreibt das Quarantänetagebuch im Abendblatt.

Foto: Jan Schröter / Schröter

Kolumnist Jan Schröter liefert in dieser Folge ausnahmsweise mal großes Tennis.

Was bin ich froh, wenn endlich wieder Sommer ist. Dann ist schönes Wetter, Corona macht schlapp und außerdem läuft die „Tour de France“. Deren Teilnehmer sind wenigstens kernige Typen, die sich schon vor dem Frühstück klaglos jede Spritze reinpfeifen, die man ihnen hinhält. Das sind Kerle, lieber Novak Djokovic.

Wenn so ein topfitter Mensch wie Sie, Herr Djokovic, solche Angst vor einer Spritze hat, dass er am liebsten gar nicht darüber reden möchte, dann ist es erst recht an der Zeit für ein paar klärende Worte über den Impfvorgang. Zunächst mal, ganz wichtig: die Kanüle ist zwar lang und spitz, doch sie wird nicht mit Volldampf durch den Arm getrieben, so dass sie auf der anderen Seite wieder heraus käme.

Möglicherweise, verehrter Novak D., befürchten Sie aber genau das. Wäre ja nicht ganz unlogisch, wo Sie doch Ihr eigener Vater öffentlich als „Jesus des 21. Jahrhunderts“ anpreist. Jesus wurde bekanntlich ans Kreuz genagelt. Eingedenk solcher Vergleiche macht man natürlich einen Bogen um spitze Gegenstände, das verstehe ich, Herr Djokovic.

Allerdings ist eine Spritze kein Zimmermannsnagel. Der Kanülendurchmesser ist winzig, der Einstich erfolgt entsprechend kaum spürbar. Jede Wespe, die sich auf den Centre Court der Rod Laver Arena in Melbourne verirrt, schlägt härter zu. Außerdem hängen Sie nicht für Stunden oder gar Tage an der Spritze. Sie leiden garantiert nicht annähernd so lange wie Jesus am Kreuz. Die Kanüle wird herausgezogen, bevor Sie laut „Coronadiktatur!“ schreien können. Schon ist alles vorbei.

Allein diese Diskrepanz zwischen Ihrem Schicksal (im Fall der von Ihnen gefürchteten Impfung) und dem des Gekreuzigten sollte Ihnen Mut machen. Und falls Sie wirklich so fromm sind, wie Ihr Vater tut, hier noch eine kleine moralische Motivation: Jesus wird nach über 2000 Jahren noch verehrt, weil er der Menschheit etwas gab – nämlich ein Gemeinschaftsbewusstsein, welches auch die Schwachen und Gefährdeten einschließt. Ich glaube nicht, dass heute noch irgendein Hahn nach Jesus krähen würde, hätte dieser Mann seinerzeit als Lebensleistung lediglich sämtliche Tennisturniere der Antike gewonnen.

Ein „Grand Slam“ garantiert kein Himmelreich. Nicht mal anhaltenden Ruhm. Aber eine Impfung schützt die Schwachen und Gefährdeten, erfolgt im Sinne der Mitmenschlichkeit und ist eine ganz leichte Übung für topfitte Sportskanonen. Novak, Ihr „Grand Slam“ 2022 besteht aus: Erstimpfung, Zweitimpfung, Booster.

Noch ein Wort, Herr Djokovic senior. Eins von Papa zu Papa, ich habe ja auch erwachsene Kinder. Na klar, die sind für einen Vater das Größte, man stellt sich reflexartig und bedingungslos vor seine Brut, alles verständlich. Aber den Sohn mit Jesus gleichsetzen? Pressekonferenzen und internationale Krisengespräche initiieren – wegen einer dösigen Impfdebatte? Passen Sie bloß auf: am Ende hält sich Novak für wirklich wichtig. Dann hört er nicht mehr auf Sie. Was vielleicht auch eine Lösung wäre.

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