Bad Segeberg. Die Situation wirkt paradox. In der Corona-Pandemie zeigt sich die Bedeutung des medizinischen Fachpersonals (MFA) in den Praxen. Und es scheint gesellschaftlicher Konsens, dass dieser allgemeinen Wertschätzung auch ein Lohn-Plus folgen müsste. Doch die Realität ist immer noch eine ganz andere: „Was MFA in der Pandemie geleistet haben, ist weder den Politikerinnen und Politikern, noch den Krankenkassen bewusst“, sagt Hannelore König, Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe. „Nach wie vor sind die Kolleginnen und Kollegen für die Gesundheitspolitik und deren Finanzierung unsichtbar. Dies gilt es unbedingt zu verändern!“
Mehr Anerkennung für Ärzte und Personal gefordert
Die Ärztegenossenschaft Nord mit Sitz in Bad Segeberg hatte König und ihre Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein, Martina Erichson zu einem Gespräch eingeladen. Dabei wurde klar, dass die Bedeutung der Niedergelassenen und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Praxen durch die Politik nicht wahrgenommen werde – weder bei der Betreuung von Covid-Erkrankten und den täglichen Abstrichen zur Inzidenzermittlung oder beim Impfen, noch bei der normalen medizinischen Betreuung. Auch die Koalitionsgespräche würden hier kein positives Signal geben.
König kritisiert, dass immer noch viele MFA unterhalb der Niedriglohnschwelle bezahlt würden, was in keiner Relation zu der täglichen Herausforderung im Praxisalltag und der Qualifikation der Mitarbeitenden steht. Die erschreckende Konsequenz daraus sei, dass es häufiger zu Erkrankungen wie Burnout und zu Abwanderung in andere Gesundheitsbereiche oder zum Ausstieg aus dem Gesundheitswesen komme.
Große Ungleichheit bei Tariflöhnen
Einig sind sich beide Organisationen, das die Funktionsfähigkeit der Praxen und damit die ambulante Versorgung auf dem Spiel steht. Die Ärztegenossenschaft sehe keinen anderen Weg, als die zeitnahe Gegenfinanzierung von Lohnkosten gesetzlich zu regeln. „Um unser Personal besser bezahlen zu können, muss mindestens der Orientierungspunktwert mit jedem Tarifabschluss adäquat steigen und letztendlich müssen die Budgets in der Grundversorgung abgeschafft werden“, fordert Dr. Svante Gehring, Norderstedter Hausarzt und 1. Sprecher der Ärztegenossenschaft Nord. Er beobachtet in seinem Einzugsbereich inzwischen Praxen, bei denen Ärztinnen und Ärzte teilweise den Empfang selbst bespielen müssen, da sie keine MFA-Stellen mehr nachbesetzt bekommen.
Es dürfe nicht passieren, dass weiterhin hoch qualifiziertes Praxispersonal von Kliniken, Pflegeeinrichtungen oder Krankenkassenverwaltungen mit besseren Verdienstmöglichkeiten abgeworben würden. Das Ungleichgewicht der Löhne zum Berufseinstieg im Gesundheitswesen sei alarmierend – der tarifliche Stundenlohn einer Pflegefachkraft oder Sozialversicherungsfachangestellten einer Krankenkasse beliefe sich derzeit auf 17 Euro, wo hingegen der einer ebenso qualifizierten MFA bei 12,50 Euro läge.
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