Henstedt-Ulzburg

Start-Up entwickelt Scanner für Fahrzeugscheine

| Lesedauer: 5 Minuten
Christopher Herbst und Zuzanna Viola
Tony Kausche von Autosiastik mit dem digitalen Fahrzeugscheinscanner in der Werkstatt des Betriebes in Henstedt-Ulzburg.

Tony Kausche von Autosiastik mit dem digitalen Fahrzeugscheinscanner in der Werkstatt des Betriebes in Henstedt-Ulzburg.

Foto: Christopher Herbst

Das Startup Autosiastik Software hat einen Scanner entwickelt, der Fahrzeugscheine in Sekundenschnelle einliest.

Henstedt-Ulzburg. Jeder Autobesitzer hat ihn, meist ist das Dokument irgendwo verstaut, vielleicht in ein Portemonnaie gequetscht. Aus den scheinbar willkürlichen Buchstaben-Zahlen-Kombinationen in den etwa 70 Feldern werden nur die wenigsten schlau. Doch Fahrzeugscheine gehören zu den wichtigsten Alltagspapieren, wer hinter dem Steuer sitzt, muss den Nachweis mitführen.

Und zwar ausdrücklich analog. Das wiederum war für die Autobranche schon immer misslich – in Kfz-Werkstätten, bei Versicherern, beim Tüv, in Autohäusern, bei Autobörsen oder Onlineportalen hat die Erfassung der Daten in der Vergangenheit viel Zeit in Anspruch genommen.

Start-Up entwickelt Scanner für Fahrzeugscheine

Das hat auch die Gründer von Autosiastik genervt. Also hat die junge Henstedt-Ulzburger Firma, die es seit 2017 gibt und die in der Philipp-Reis-Straße sitzt, etwas entwickelt, dass Nikola Matovic, einer der Geschäftsführer, als „künstliches Auge“ vorstellt. „Wir optimieren den Prozess der Datenverarbeitung und der Datenaufnahme.“

Und zwar mit einem Scanner für Fahrzeugscheine, der dank ausgefeilter Künstlicher Intelligenz (KI) nur zwei Sekunden für einen Vorgang benötigt, der vorher zwischen fünf und 30 Minuten dauerte – und eine hohe Fehlerquote hatte. „Wir betreuen einen Fuhrpark mit 140 Fahrzeugen. Eine Fahrgestellnummer hat 17 Stellen. Wenn da nur eine falsch ist, zieht das einen ganzen Rattenschwanz an Fehlern nach sich.“

Matovic und Timo Sternberg holten 2020 die IT-Kompetenz von Rasmus Wachsmuth und Timo Kausche mit ins Team, zu viert gründete man eine zweite Firma, die Autosiastik Software GmbH. Von der Idee über die Entwicklungs- und Testphase bis zur Marktreife des Scanners dauerte es rund sieben Monate. Als Versuchsobjekte dienten dabei in der Regel die Fahrzeuge, die man sowieso im Haus hatte.

Scanner gibt es als Gerät oder als App

Insgesamt betreut die Firma rund 1500 – je zur Hälfte normaler Service sowie Car-Tuning. Entweder als Gerät oder per Smartphone-App, die den Schein fotografiert, werden die Dokumente über eine Programmier-Schnittstelle in Datenmasken eingepflegt. Das klappt auch, wenn die Scheine etwas ramponiert sind, eine Plausibilitätsprüfung dient zur Verifizierung. Die Zeit, die so gespart wird, könne dafür genutzt werden, „dass wir direkt zum Auto gehen“, sagt Timo Sternberg. Und es entfallen unnötige Wartezeiten. „Implementiert werden kann es innerhalb eines Tages. Überall dort, wo man Fahrzeugscheine braucht, wird das System schon eingesetzt.“

Die sensiblen Inhalte seien sicher, betont Nikola Matovic, man habe sich rechtlich intensiv beraten lassen, um den Datenschutz zu gewährleisten. Die Server seien alle in Deutschland. „Wenn man mit Daten arbeitet, muss ein extrem hoher Anspruch umgesetzt werden.“ So wird Missbrauch verhindert – ansonsten wäre es theoretisch möglich, gefälschte Fahrzeugpapiere zu erstellen oder dass Adressen an Autodiebe gelangen, sollten Hacker eine Sicherheitslücke nutzen.

„High-Tech und Traditionelles verbunden“

Autosiastik ist eine Symbiose gelungen, das klassische Schrauben und die Digitalisierung ergänzen sich nahtlos. „Wir haben High-Tech und Traditionelles verbunden“, sag Timo Sternberg. Der Innovationsgeist wird direkt vom Land Schleswig-Holstein unterstützt mit Fördermitteln der WTSH (Wirtschaftsförderung und Technologietransfer). Insgesamt stellt die Kieler „Jamaika-Koalition“ in den nächsten Jahren 45 Millionen Euro für KI-Projekte zur Verfügung. Zu den verfügbaren Subventionen gehört auch der „Digi-Bonus“.

Kleine Unternehmen, die den Autosiastik-Scanner für 300 Euro erwerben wollen, bekommen diese Investition derzeit komplett gefördert. „Das Finanzierungsproblem ist eines der größten Hindernisse für Startups“, sagt Stephan Holowaty (FDP), Landtagsabgeordneter aus Henstedt-Ulzburg und digitalpolitischer Sprecher seiner Fraktion. „Wir wollen Entwicklungen wie diese hier möglich machen.“

Er regt sogar an, dass Schleswig-Holstein doch einen digitalen Fahrzeugschein als Modellversuch starten könne. „Wir sind große Anhänger der Digitalisierung. Es wäre auch für die Polizei bei Kontrollen viel einfacher, das spart den Beamten viel Zeit, und es vermeidet Missverständnisse.“

Start-Up will in Henstedt-Ulzburg bleiben

Autosiastik ist weiterhin eine sehr kleine Firma. Elf Mitarbeiter sind im Werkstattbereich tätig, fünf weitere im Software- und Medienbereich, darunter auch Webentwickler und Videoproduzenten. Ausgebildet werden momentan Automobilkaufleute und Karosseriebauer, bald auch Kfz-Mechatroniker. Autosiastik würde sich gerne vergrößern und zusätzliche Stellen schaffen, zumal eine Expansion in Österreich und in der Schweiz geplant ist. „Wir platzen aus allen Nähten“, sagt Nikola Matovic. „Wir wollen definitiv in Henstedt-Ulzburg bleiben.“

Sebastian Döll, Wirtschaftsförderer der Gemeinde, nimmt die Vorlage auf. „Wir haben über neue Flächen gesprochen, darüber, ob es etwas gibt, dass wir Autosiastik anbieten können.“ Die Gemeinde hat im Frühjahr mehrere Grundstücke im Gewerbepark Nord erworben, südlich der Rewe-Großbaustelle. Strategisch sollen kleinere Ansiedlungen oder Erweiterungen in Größenordnungen von 1000 bis 5000 Quadratmetern ermöglicht werden.

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