Norderstedt

18-jähriger Zauberer begeistert Publikum – im Zoom-Call

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Wolfgang Klietz
Schon als Schüler hat Tim Simon mit der Magie angefangen, er war unter anderem im Kinderkanal Kika zu sehen.

Schon als Schüler hat Tim Simon mit der Magie angefangen, er war unter anderem im Kinderkanal Kika zu sehen.

Foto: Wolfgang Klietz

Der junge Norderstedter Tim Simon machte aus der Not eine Tugend: Er tritt während der Pandemie per Videoschalte auf.

Norderstedt. Der Beamte im Norderstedter Rathaus fragte noch einmal genauer nach, als Tim Simon im Februar um einen Gewerbeschein bat. „Ja, ich bin Zauberkünstler“, sagte der 18-Jährige selbstbewusst. So steht es jetzt auch offiziell auf dem digitalen Schein des jungen Norderstedters, der sich ausgerechnet in einer Pandemie selbstständig gemacht hat und zum Geldverdienen auf Publikum angewiesen ist.

Norderstedter kann von der Zauberei leben

Doch es funktioniert. „Ich kann tatsächlich davon leben“, sagt Tim Simon in seinem schicken Büro in einem Coworking-Space an der Willy-Brandt-Straße in Hamburg, das er bei Bedarf mietet. Der Blick aus dem Fenster reicht bis zu den Deichtorhallen. Auf dem Schreibtisch stehen ein Laptop, Zauberwürfel, ein Kartenspiel und andere Utensilien, die ein Magier so braucht. Wie zum Beispiel ein Würfelbecher. Simon nimmt ihn in die Hand, wirft ein Würfel hinein und holt kurz danach eine Zitrone heraus.

Als die Pandemie 2020 begann, schien die frühe Karriere des Norderstedters beendet zu sein, bevor sie richtig begonnen hatte. Tim Simon sagte alle Auftritte ab, erstarrte jedoch nicht im Frust, sondern bereitete sich auf die Zeit danach vor und zog erst Anfang dieses Jahres mit anderen Kollegen aus der Zaubererbranche gleich: Er wechselte zu digitalen Shows – ins Wohnzimmer, in die Betriebsfeier per Zoom oder live in die Videoschalte zur Familienfeier. Warum so spät? „Ich hatte das Gefühl, dass man das Live und Vor Ort nicht ersetzen kann“, sagt Simon und zaubert nebenbei ein bisschen. Plopp, der Würfel ist wieder da.

Tim Simon will gern wieder vor Publikum auftreten

„Das läuft erstaunlich gut“, sagt Simon über den Neustart. Er will fürs Erste weiter digital zaubern, auch wenn ihm der Kontakt und das direkte Erleben der Zuschauerreaktionen viel lieber ist. Auch in den sozialen Medien ist der junge Magier inzwischen präsent und mietet für die Aufnahmen ein Studio mit mehreren Kameras. Sein Vater, Musiker und bühnenerfahren, hilft dabei. Geld bringen die Aufritte bei Instagram oder Youtube nicht, aber sie erhöhen die Popularität. Und zack ist der Zauberwürfel perfekt gedreht. Tim Simon grinst.

Wann er wieder auf der Bühne stehen kann, sei schwer vorherzusagen. „Die Leute wollen wieder loslegen und feiern“, hat Tim Simon festgestellt. Doch noch immer sei beispielsweise in den Firmen die Unsicherheit groß, wie in diesem Jahr die Weihnachtsfeier aussehen könnte – digital oder mit Präsenz, mit Zauberer oder ohne.

„Schön wäre es, wenn ich im kommenden Jahr wieder loslegen könnte, aber ich glaube nicht so richtig daran“, sagt Simon. In jedem Fall sollen spätestens 2023 wieder Shows auf dem Programm stehen, möglichst deutschlandweit und abendfüllend. Wo ist der 20-Euro-Schein auf dem Tisch geblieben?

Norderstedter hat schon früh mit Zauberei angefangen

Simon gehört zu den modernen Zauberkünstlern, tritt im Sakko und ohne Zylinder auf, lässt keine Kaninchen verschwinden und zersägt keine halbnackten Frauen. Er liefert eine Show voller Witz und Überraschungen. Handwerk und ein flottes Mundwerk – das ist das Geheimnis für Simons Erfolg. Der Geldschein ist wieder da, allerdings liegt jetzt auf dem Tisch ein 100er. Man sollte öfter kommen.

„Ich möchte die Menschen aus dem Alltag holen, sie sollen den Stress vergessen“, sagt Tim Simon, der sogar Eheringe scheinbar unlösbar ineinander verhakt und sie nach verzweifelten Versuchen des Publikums selbst wieder löst. Manchmal geht auch eine Brieftasche in Flammen auf, aber keine Sorge: Das ist alles ein Trick.

Schon als Schüler hat Tim Simon mit der Magie angefangen, war im Kinderkanal Kika zu sehen und entwickelte als Jugendlicher eine erste eigene Show. Den mittleren Schulabschluss hat er noch absolviert, aber aufs Abitur verzichtet und sich lieber den magischen Künsten gewidmet. „Meine Eltern haben das verstanden“, sagt Tim Simon. Nur mit seiner Oma muss er manchmal noch diskutieren, ob denn eine Beamtenlaufbahn im höheren Dienst nicht eine bessere Perspektive bieten würde.

Zauberer ist kein Job wie jeder andere

Manche Kunden sind sehr überrascht, wenn so ein junger Mann seine Künste präsentiert. Manche zweifeln auch: „Kann er das?“ Doch schnell merken die Zweifler, dass der 18-Jährige ein Profi ist. Auch wenn er keine Schwiegermütter zersägt, wie manche männlichen Zuschauer fordern.

Simon hat es nie bereut, zielstrebig seine Karriere aufzubauen. Auch die einstigen Klassenkameraden blicken mit Respekt auf die Posts bei Instagram, die in dem schicken Büro an der Willy-Brandt-Straße entstanden sind. „Das ist kein Job wie jeder andere“, sagt Simon.

Wieso taucht der 20er plötzlich neben der Zitrone wieder auf – und der 100er ist verschwunden? Die Illusion funktioniert.

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