Kulturpreis

Stadt verlieh die erste „Norderstedter Trude“

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Heike Linde-Lembke
Die „Norderstedter Trude“ ging an Anja Matzke für ihre Installation „Ich werde gebraucht“. Auf Putztücher stickte sie fiktive Namen und erinnerte an ermordete und vergewaltigte Frauen.

Die „Norderstedter Trude“ ging an Anja Matzke für ihre Installation „Ich werde gebraucht“. Auf Putztücher stickte sie fiktive Namen und erinnerte an ermordete und vergewaltigte Frauen.

Foto: Heike Linde-Lembke

Hamburgerin Anja Matzke beeindruckte die Jury des Kunstpreises mit einem gesellschaftskritischen Werk.

Norderstedt.  Bei der Preisverleihung der ersten „Norderstedter Trude“ flossen Tränen. Die Jury zeichnete Anja Matzke aus Hamburg für ihre Installation „Ich werde gebraucht“ mit dem ersten von drei Preisen aus – und die Künstlerin weinte vor Freude. „Ich kann es kaum fassen“, sagte Anja Matzke.

Installation befasst sich mit Gewalt gegen Frauen

Die 57-Jährige, die Kunst in Ottersberg bei Bremen und Textilkunst an der Hamburger Kunsthochschule studierte, prangert mit ihrem Werk die andauernde, tägliche Gewalt gegen Frauen an. „Ich habe 2018 die Nachricht im Radio gehört, dass jede vierte Frau in der Partnerschaft Gewalt erdulden musste“, sagte Anja Matzke. „324 Mordversuche und 122 Morde an Frauen wurden von ihren Partnern ausgeführt“, zitiert sie das Bundesfamilienministerium. Auf genau 122 Putzlappen hat sie für die Ermordeten 122 fiktive Frauennamen gestickt.

Sticken – eine Arbeit, die traditionell fast nur Frauen machen. Die Putzlappen legte sie auf dem Rathausmarkt-Pflaster aus und hängte sie an eine Trockenspinne. „Uns hat die Umsetzung sehr beeindruckt“, sagte Kultur- und Sozialdezernentin Anette Reinders bei der Verleihung des mit 750 Euro dotierten Preises. Reinders bildete mit Romy Rölicke vom Stadtmuseum und den Architekten Werner Delasauce und Heinz Pensky die Jury für die „Trude“-Preise.

Aufmerksam machen auf die Situation der afghanischen Frauen

Die Arbeit von Anja Matzke sei mit ganz viel Inhalten verbunden, denn Frauen, Putzlappen und Sticken, das zeige, welche Rolle Frauen in unserer Gesellschaft oft immer noch hätten, so Reinders. Ohnehin war Gesellschaftskritik das große Thema der Akteurinnen und wenigen Akteure auf dem ersten Trudenmarkt.

Ljiljana Zerjav-Ahlert, die gebürtige Kroatin unterrichtet im Norderstedter Flüchtlingsprojekt „Deutsch als Zweitsprache“ (DAZ) und betreut afghanische Kinder. Den Schock der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan verarbeitete sie, indem sie während des Kunstmarktes ein Foto von drei afghanischen Frauen aus dem Hamburger Abendblatt bildnerisch umsetzte, um auf die große Gefahr aufmerksam zu machen, die afghanischen Frauen jetzt droht. Dafür erhielt die 62-jährige Künstlerin, Mitglied im Kunstverein Malimu, den dritten Preis, dotiert mit 250 Euro.

Kunst als Kritik am Raubbau an Flora und Fauna

Kritisch mit dem Raubbau an der Natur setzt sich Rotem Ritov in ihren Werken auseinander. Die Israelin aus Tel Aviv nahm für den Kulturträger Chaverim – Freundschaft mit Israel am „Trude“-Markt und -Wettbewerb teil und erhielt für ihre feine und kunstvolle Arbeit den zweiten Preis, dotiert mit 350 Euro. „Das ist eine große Überraschung, ich freue mich sehr“, sagte Rotem Ritov.

Die 47-Jährige war mit ihren umweltkritischen Arbeiten schon mehrfach auf der internationalen Kunstschau NordArt in Rendsburg-Büdelsdorf präsent. Auf dem „Trude“-Kunstmarkt arbeitete sie an ihren Dyptichon „Die Herde“, eine Installation, die auf genaue Naturzeichnungen basiert und damit die jahrtausendealten biblischen Mythen Israels symbolisiert.

Auch den Sonderpreis, dotiert mit 350 Euro, vergab die Jury an eine umweltkritische Arbeit. Er ging an Bernhard Luther, Mitglied im Norderstedter Kunstkreis, der schon ehrenamtlich 40 Container mit PCs und Schulmöbeln nach Namibia brachte, und an Frank Rohde. Sie erkannten in der Wurzel eines abgestorbenen Baumes den Kopf einer Giraffe, brachten den Stamm auf den „Trude“-Kunstmarkt, Luther bemalte ihn – auch mit Hilfe von Besuchern – als Giraffe, und Rhode montierte die Schilder „Wohin kann ich?“.

Die „Trude“ soll jetzt alle zwei Jahre verliehen werden

„Die Tiere haben immer weniger Platz zum Leben, weil der Mensch ihnen den Raum nimmt. So sterben zuerst die

Tiere, dann der Mensch“, sagt Luther. Die Erde sei übervölkert. Das Publikum stand eher auf Lokal-Kolorit und sprach den Publikumspreis (350 Euro) der Norderstedter Künstlerin Anne Kathrein Erban zu. Sie skizzierte die Natur, sei es entlang der Tarpenbek, im Stadtpark oder anderen Norderstedter Parks.

Auch wenn von den 44 angebotenen Wettbewerbsständen nur 23 besetzt waren, lobten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer den ersten „Trude“-Kunstmarkt als gelungene Aktion, zu der Kunstschaffende und Publikum sich endlich wieder treffen konnten. Der „Trude“-Kunstmarkt, initiiert von Gudrun Pöpperling vom Kulturverein Malimu und der Innenarchitektin Anke Redeker, soll von nun an alle zwei Jahre stattfinden.

Ausstellung „Norderstedter Trude“,bis So, 5.9, Mi-Sa, 15.00-18.00; So, 11.00-18.00, Stadtmuseum, Friedrichsgaber Weg 290. Eintritt 5/2,50 Euro, Kinder bis zwölf Jahre frei.

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