Serie

Ein Tag mit Urviechern, Schallplatten und Torten

| Lesedauer: 7 Minuten
Heike Linde-Lembke
Thomas Perkuhn, Mitglied des Museums-Vereins, an seinem Lieblingsplatz im Schallplatten-Museum Nortorf.

Thomas Perkuhn, Mitglied des Museums-Vereins, an seinem Lieblingsplatz im Schallplatten-Museum Nortorf.

Foto: Heike Linde-Lembke

In der aktuellen Folge unserer Ausflugsserie geht es nach Nortorf. Was in und um die Stadt zu entdecken gibt.

Nortorf.  Die Kuh ist lila, dem Schwein ist der Ringelschwanz abhanden gekommen, und der Hahn darf auch nicht mehr, wie er möchte. Aber auch unsere hochgezüchteten, zum Verzehr bestimmten Haustiere – in der Landwirtschaftssprache schnöde Nutztiere genannt – haben Vorfahren, und diese Urviecher mit ihren Hörnern und Zotteln haben im Tierpark Arche Warder ein beschütztes Zuhause.

Dort dürfen Wollschweine, Vierhornschafe, Riesenesel, Bartkaninchen und viele andere Urviecher über Wiesen galoppieren, an Büschen knabbern, in Seen und Bächen planschen und im Schlamm suhlen.

Im Tierpark Arche Warder leben seltene Haustiere, die fast vergessen sind, die „weiterentwickelt“ wurden, um mehr Ertrag zu bringen. 1400 meist europäischen Haus- und Nutztieren aus 160 Rassen begegnet man beim Rundgang über das drei Kilometer lange Wegenetz der Arche Warder. Für Kinder gibt es einen großen Streichelhof und ein Tierschau-Haus.

Die Tierpark war mal eine Kiesabbaufläche

Der Landschaftspark Arche Warder liegt neben der BAB 7, Abfahrt Warder, ist umgeben von Brahmsee, Warder See und Pohlsee und Europas größter Tierpark für seltene und vom Aussterben bedrohte Haustiere. 2018 wurde der Park für biologische Vielfalt ausgezeichnet. Träger ist der 2003 gegründete Verein Arche Warder.

Bereits 1988 erwarb der Zoologe Jürgen Güntherschulze in Warder eine ehemalige, 40 Hektar große Kiesabbaufläche, auf der er am 1. Mai 1991 den „Tierpark Warder für seltene und gefährdete Haustierrassen“ eröffnete.

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Archäologie der Universität Hamburg wurde 2007 eine jungsteinzeitliche Siedlung mit mehreren Häusern, einem Vorratsspeicher und einem Aussichtsturm errichtet.

Die Arche Warder bietet Veranstaltungen wie die Steinzeit-Tage und Bildungsangebote mit Übernachtung für Schulklassen und Gruppen an.

Arche Warder, Langwedeler Weg 11, Warder, 04329/91340, geöffnet täglich 10 Uhr bis zur Dunkelheit, letzter Einlass 18 Uhr. Eintritt: Erwachsene 10 Euro, Kinder 3-17 Jahre 7 Euro, bis 3 Jahre frei. Aktuelle Öffnungszeiten unter www.arche-warder.de

32.000 Schallplatten schlummern in den Archiven

Nach soviel Viecherei zum Vinyl. In nur zehn Autominuten erreicht man Nortorf und damit einen Pilgerort für alle Schallplatten-Narren, für die Spezies, für die Vinyl auf dem Teller das größte Hörvergnügen ist, mag es auch noch so rauschen und rumpeln. Am Jungfernstieg 6 in Nortorf haben einige dieser Spezies das Deutsche Schallplattenmuseum Nortorf aufgebaut.

Der Grund: Nortorf war einmal die Stadt, in dem der Schallplatten-Hersteller Teldec, ein Tochterunternehmen des AEG-Konzerns, jahrzehntelang Vinyl-Scheiben presste. 1948 eröffnete die Telefunken Schallplatten GmbH, später Teldec, in Nortorf eine Plattenfirma in einer ehemaligen Lederfabrik, und stellte mit einer ehemaligen Lederpresse Schallplatten her. Mitte der 1960er-Jahre beschäftigte die Firma etwa 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hier wurden unter anderem Goldene Schallplatten für Elvis Presley (1958 mit Gravierfehler Presly) und Peter Maffays Schlager „So bist du“ (1979) hergestellt.

1989 schloss Teldec das Werk, in dem es 850 Millionen Schallplatten gepresst hatte. Das brachte einige Schallplatten-Freaks auf den Plan, und sie gründeten im selben Jahr das Schallplatten-Museum in Nortorf mit etwa 32.000 Schallplatten, verschiedenen Abspielgeräten, Musikboxen, 50er-Jahre-Zimmer und 60er-Jahre-Erinnerungswand. Inklusive rotem Cadillac.

„Für das Schallplatten-Museum hat die Stadt Nortorf dem Museumsverein ein Haus zur Verfügung gestellt, das ursprünglich als Heimatmuseum mit Schwerpunkt Teldec geplant war“, sagt Thomas Perkuhn, zweiter Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins. Doch statt alter Geräte vom Dreschflegel über Kartoffelroder bis zur Mistforke bietet das Museum Tausende Schallplatten, Grammophone und andere Abspielgeräte bis zu diversen Schallplattenspielern, Plattenpressen und Musikboxen, beispielsweise aus der Hamburger Kiez-Kultkneipe „Silbersack“.

Museumsverein zieht in altes Kesselhaus um

Doch das Haus ist alt und muss dringend saniert werden. Der Museumsverein nimmt das zum Anlass, gleich ganz umzuziehen, zumal die Stadt ihm das alte Kesselhaus, das ehemalige Energiehaus der Teldec, für die Sammlung überlässt. Eine Million Euro Baukosten stehen an. 750.000 Euro gibt das Land, 52.000 Euro die Stadt, der Rest wird aus Spenden finanziert. „Im Oktober ist Baubeginn, demzufolge ist das Schallplatten-Museum hier am Jungfernstieg 6 nur noch bis Ende September geöffnet“, sagt Perkuhn. Mit einer Eröffnung des neuen Schallplatten-Museums im Kesselhaus rechnet er im Juni 2022.

Im Kesselhaus ist bereits jetzt die neuste Spende fürs Schallplatten-Museum untergebracht. Der NDR schaffte im Kieler Rundfunkhaus Platz und spendete dem Schallplattenverein 13 Paletten Langspielplatten, ein riesiger Fundus. „Im Kesselhaus können wir die gesamte Geschichte der Schallplatte präsentieren“, sagt Perkuhn. Ob Phonographen oder Grammophone, Schellackplatten, Vinyl-LPs oder -Singles, Schallplatten-Alben und Jukeboxen wie die Rock Ola bis zur Herstellung einer Schallplatte und anderer Tonträger wie CDs bis zur Laser-Disc, der Vorläuferin der DVD – das Schallplatten-Museum ist ein Eldorado für die Fans gepflegter Aufnahmen.

Am Sonnabend, 14, August, 12 bis 17 Uhr, veranstaltet der Verein einen Museums-Flohmarkt in der Kramer-Scheune am Heinkenborsteler Weg 8. Angeboten werden doppelte LPs, Plakate und weitere Exponate. Der Erlös kommt der Museumsarbeit zugute.

Kunst und viel Grün im Nortorfer Skulpturenpark

Durchatmen im Grünen kann man nach der Vinylschau noch im Nortorfer Skulpturenpark am Stadtpark. Der Stadtpark von Nortorf wurde 1953 bis 1956 angelegt. Ende 1987 regte der Nortorfer Politiker Kurt Hamer an, dort einen Skulpturenpark einzurichten mit Werken schleswig-holsteinischer Künstlerinnen und Künstler und solcher, die eng mit dem Schleswig-Holstein verbunden sind. Zu sehen sind 22 Skulpturen von 21 Bildhauerinnen und Bildhauern, darunter Werke wie „Fünf Arbeitstage“ von Jan Koblasa, der auch für Norderstedt viele Kunstwerke arbeitete, „Halm“ von Uwe Gripp, „Weiblicher Torso“ von Jörg Plickat und „Wegkreuz“ von Anke Bunt.

Deutsches Schallplattenmuseum Nortorf, Jungfernstieg 6, geöffnet bis Ende September. Anmeldung (max. acht Personen gleichzeitig) und die Öffnungszeiten unter museum-nortorf.de

Sahnige Torten und guter Kaffee in der „Alten Kaffeewirtschaft“

Nun wird es aber mal langsam Zeit für guten Kaffee, leckere Kuchen und sahnige Torte. Wohl Schleswig-Holsteins leckerste Eierlikör-Torte – mit einer dicken Schicht Eierlikör unter fluffiger Schlagsahne und einer Schicht Preiselbeer-Konfitüre – backen Doris Beyer und Nicole Grünewald im Café „Alte Kaffeewirtschaft“ in Aukrug, nur 15 Minuten westwärts über Gnutz vom Skulpturenpark entfernt. Allein dieses sündige Stück Torte ist den Weg von Norderstedt nach Aukrug wert. Es gibt aber auch noch andere Sünden, beispielsweise die Trümmertorte mit herbsüßen Stachelbeeren.

Das Haus der „Alten Kaffeewirtschaft“ wurde um 1700 gebaut und 1900 als landwirtschaftlicher Betrieb registriert. Zu sehen ist noch die alte Wagenremise. Am 6. Januar 2016 haben sich Doris Beyer und Nicole Grünewald mit der Eröffnung ihres Cafés einen Traum erfüllt. Heute bietet das Torten-Duo mit seinem Team im Kamin- und im Ofenzimmer Raum für Feiern bis zu 60 Personen.

Café „Alte Kaffeewirtschaft“, Hauptstraße 39, Aukrug, zurzeit geöffnet sonnabends und sonntags, 13 bis 17.30 Uhr. Genaue Infos unter www.alte-kaffeewirtschaft-aukrug.de

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