Norderstedt. Covid-19 hat auch die Volkshochschule, die Stadtbüchereien und die städtische Musikschule in Norderstedt getroffen. Die Einnahmen sind während der Pandemie zum Teil kräftig eingebrochen. Doch nicht nur die kommunalen Einrichtungen in der Stadt sind betroffen, landesweit haben die Lockdowns spürbare Löcher in die Etats gerissen. „Die Lage bei Volkshochschulen und Bildungsstätten ist äußerst angespannt“, sagte Ernst Dieter Rossmann, Vorsitzender des Landesverbandes der Volkshochschulen in Schleswig-Holstein, als er jetzt die aktuelle Statistik präsentierte.
Kursausfälle verursacht 700.000 Euro Minus
Die Zahl der Unterrichtsstunden habe sich 2020 im Vergleich zu 2019 fast halbiert – ebenso wie die Zahl der Teilnehmenden. Da sich die Volkshochschulen im Schnitt zu zwei Dritteln aus Teilnahmeentgelten und Einnahmen aus Auftragsmaßnahmen finanzierten, fehlten im Norden mehr als acht Millionen Euro in den VHS-Kassen.
In Norderstedt hat der Kursausfall ein Minus von 700.000 Euro bei der VHS hinterlassen. Das entspricht 44 Prozent und liegt damit nur knapp unter dem Landesschnitt. 17.000 Unterrichtsstunden fielen aus. Finanziell glimpflicher davongekommen ist die Stadtbücherei. Das Defizit gegenüber 2019 fiel mit gut 79.000 Euro oder zwölf Prozent deutlich geringer aus.
Aber: Nur 155.391 Besucher kamen im Vorjahr in die vier öffentlichen Bibliotheken, knapp 100.000 oder 39 Prozent weniger als noch 2019. „Das Jahresergebnis des Büchereibetriebes wurde durch Corona nachhaltig beeinflusst. Die Einschränkungen der Nutzung durch zeitweise Schließungen und die Hygieneauflagen veränderten die Büchereiarbeit grundlegend“, sagt Fabian Schindler, Sprecher der Stadt.
Auch die städtische Musikschule macht Verluste
Veranstaltungen wie das Bilderbuchkino, Lesungen oder der Besuch von Schülern und Kita-Kindern waren nur eingeschränkt möglich. 2019 informierten sich 420 Schulklassen und Kitagruppen darüber, was die Büchereien zu bieten haben. 2020 sank die Zahl auf 179. In einem Bereich hat die virusbedingte Pause allerdings zu einer Steigerung geführt: 74.353 elektronische Medien wurden 2020 laut städtischer Statistik ausgeliehen, 45 Prozent mehr als 2019.
Gelitten hat auch die städtische Musikschule. Hier sanken die Entgelte coronabedingt im Vorjahr um 132.000 Euro oder 22 Prozent gegenüber 2019. 20 Prozent des Unterrichts mussten ausfallen.
Verträge mit Dozenten wurden nicht gekündigt, denn die Kursleitenden der VHS sind ausschließlich freiberuflich tätig und erhalten einen Lehrauftrag pro Kursus. Honorar wird nur für erteilte Unterrichtsstunden gezahlt, aber: „Dozenten der offenen VHS-Kurse mussten leider erhebliche Einnahmeeinbußen verzeichnen, da Kurse gar nicht erst geplant oder geplante Kurse nicht durchgeführt werden konnten“, sagt Schindler. Diejenigen, die die Deutschkurse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge leiten, hätten einen finanziellen Ausgleich erhalten. Kurzarbeit für fest angestellte Mitarbeiter gab es nicht.
VHS hat Fördermittel des Landes bekommen
Die Verluste der Stadtbücherei werden, so Schindler, durch geringere Ausgaben und eine höhere Zuwendung im Nachtragshaushalt kompensiert. Bei der VHS hätten den geringeren Einnahmen weniger Ausgaben durch nicht fällig gewordene Honorare gegenübergestanden. Zudem habe die VHS Fördermittel des Landes über das Programm „Kulturhilfe“ bekommen. Auch die Musikschule profitiert von Finanzhilfen des Landes und von Spenden.
Doch die Pandemie hat nicht nur finanzielle Spuren hinterlassen. „Allen Menschen fehlen die Begegnungen vor Ort und das gemeinsame Ausprobieren, Lernen, Entdecken im direkten Austausch. Unbestreitbar ist: Nicht alle Kurse lassen sich online durchführen“, sagt Fabian Schindler. Die örtliche VHS sei sehr erfreut über und dankbar für die weitreichende Unterstützung von Politik, Verwaltung und auch der Öffentlichkeit. Dank kreativer Kursleitungen, neugieriger Teilnehmer und VHS-Mitarbeiter, die großen Ideenreichtum und Durchhaltevermögen gezeigt hätten, habe das Beste aus der Situation gemacht werden können.
Menschen Chancen auf dem zweiten Bildungsweg bieten
Der Vorsitzende des VHS-Landesverbandes wies auf die Bedeutung der Volkshochschulen hin: „Weiterbildung ist ein Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Die gewachsene soziale Spaltung erfordert zum Beispiel vermehrte Lernchancen für Benachteiligte. Und politische Bildungsprogramme werden gebraucht, damit Demokratieverständnis und konstruktive Diskurse nicht weiter zurückgedrängt werden“, sagte Ernst Dieter Rossmann.
Karsten Schneider, Direktor des VHS-Landesverbandes, sieht eine weitere wichtige Funktion: „In Folge der Pandemie drohen mehr Schulabbrüche, weshalb wir mehr jungen Menschen Chancen im zweiten Bildungsweg bieten müssen.“ Psychische Belastungen und Stress seien Folgen der Pandemie. Daraus ergebe sich ein gestiegener Bedarf an präventiven Gesundheitsangeboten, die die Volkshochschulen und Bildungsstätten passgenau anbieten könnten.
Digitale Angebote werden in der Zukunft immer wichtiger
Bei aller Freude, Angebote wieder in Präsenz durchführen zu können, sehen Volkshochschulen und Bildungsstätten digitale Angebote auch zukünftig als wichtigen Teil ihres Bildungsauftrags. „Das steht in Einklang mit den Ergebnissen einer Marktforschungsstudie, die wir zu Jahresbeginn durchgeführt haben. Vor allem jüngere Erwachsene sind sehr an flexibleren Kursen interessiert. In hybriden Seminaren könnten Teilnehmende künftig VHS-Kurse zumindest zeitweise virtuell wahrnehmen“, sagte Schneider. Eine Landesförderung habe bereits Investitionen in die nötige Digitalisierung von Kultur und Erwachsenenbildung ermöglicht.
Davon hat auch Norderstedt profitiert. „Die Arbeit der VHS Norderstedt ist in der Zeit der Pandemie schlagartig digitaler geworden“, sagt Verwaltungssprecher Schindler. Ein Teil des VHS-Kursangebotes wird, zumindest vorübergehend, weiterhin online oder hybrid angeboten. Unterrichtsräume wurden mit Präsentations- und Übertragungstechnik ausgestattet, die künftig sowohl für die Online-Kurse als auch für den Unterricht in den Räumen genutzt werden soll. „Die Mitarbeitenden, Kursleitenden und auch die Teilnehmenden haben einen enormen Kompetenzzuwachs in der Nutzung digitaler Tools verzeichnet“, so Schindler.
Auch bei der Musikschule und der Stadtbücherei wird es mehr digitale Angebote geben. Zudem wurden während der Corona-Zeit neue Projekte entwickelt: Im Herbst wird die „Bibliothek der Dinge“ eröffnet werden, die ein Ausleihen von Hardware und Gegenständen ermöglicht.
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