Norderstedt. Kurz vor Weihnachten sollte Miloš Milovanović auf der großen Bühne im Hamburger Ernst Deutsch Theater stehen und als Frosch Erich versuchen, das Herz von Prinzessin Ida zu gewinnen. Dann kam der Lockdown. Das Weihnachtsmärchen soll nun Ostermärchen werden, natürlich mit dem Froschkönig aus Norderstedt. Dessen Bühne ist in diesen Tagen sein Wohnzimmer, der Applaus bleibt aus.
„Weil ich Berufseinsteiger bin, trifft mich der Lockdown besonders hart“, sagt der 23-Jährige. Vorsprechen würden nur begrenzt durchgeführt. Anschlussjobs zu finden sei daher sehr viel schwieriger. Proben finden momentan zwar nicht statt, dennoch hält sich Milovanović für seinen Beruf fit. Er macht Atemübungen und geht regelmäßig joggen. Bei seinem Mentor, dem Autor und Sprecher Monty Arnold, nehme er Sprechunterricht. „Wenn ich den ganzen Tag nur faul rumliegen würde, wäre ich anschließend ein schlechterer Schauspieler – und das kann ich mir nicht leisten“, sagt er.
Die Rolle des Froschkönigs ist Miloš Milovanovićs erste große bezahlte Hauptrolle. Der Schauspieler hat erst im Oktober seine Ausbildung an der Schule für Schauspiel Hamburg abgeschlossen, dürfte einigen Hamburger Theatergängern aber schon bekannt sein. Am Ernst Deutsch Theater stand der 23-Jährige bereits mit dem Jugendclub und bei der Inszenierung für „Die Welle“ auf der Bühne. Im Sommer spielte er unter der Regie von Hartmut Uhlemann im Planten un Blomen und auf der Waldbühne im Hamburger Volkspark den Puck in William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“. Auch vor der Kamera war er schon zu sehen. In „Unsere Geschichte – 125 Jahre Nord-Ostsee-Kanal“ schlüpfte er in die Rolle des Jungen Rico. Er trat zudem in verschiedenen Kurzfilmen und in einem Werbespot eines großen deutschen Autoherstellers auf.
Erst seit Kurzem wohnt er mit seiner Freundin in Barmbek
Als Berufseinsteiger hat Milovanović damit schon einiges vorzuweisen, einen Plan B habe er nicht. „Ich habe mir vorgenommen, dass ich nie wieder irgendetwas anderes machen möchte“, sagt er. Milovanović mag es, in andere Rollen zu schlüpfen. „Mein Wunsch ist es, mich selbst als Person dabei möglichst rauszulassen“. Dazu studiere er den Text und befragt, wenn möglich, den Autor, um mehr über seine Figur herauszufinden.
Erst seit Kurzem wohnt er mit seiner Freundin in einer Dreizimmerwohnung in Hamburg-Barmbek. Norderstedt bleibe jedoch sein Zuhause. „Es ist alles nicht so hektisch und so voll wie in der Stadt. Ich mag das sehr gerne, dieses Vorstädtische.“ Vor den Toren Hamburgs sammelte er auch erste Erfahrungen als Schauspieler.
„Ich erinnere mich, schon irgendwann im Kindergarten auf einer Bühne gestanden zu haben“, sagt er. In der Grundschule habe er im Chor gesungen, in der dritten Klasse ergatterte er die Hauptrolle in einem Musical-Projekt. Ab der fünften Klasse besuchte er die Musiktheater-Akademie Norderstedt. Acht Jahre lang schauspielerte und sang er, hatte jedes Jahr fünf bis sechs Auftritte vor etwa 400 Leuten; unter anderem im Festsaal am Falkenberg. Mit 15 Jahren nahm er bei „Jugend musiziert“ in der Kategorie Musical teil und verpasste nur knapp den Einzug ins Bundesfinale.
Trotz seines Erfolgs machte sich Miloš Milovanović als Teenager nie große Hoffnungen auf eine Karriere als Schauspieler. „Ich hatte zwar Bock, aber ich hatte ja immer ein Problem – meinen rechten Arm.“ Den kann er nur etwas über 90 Grad strecken. Das fällt zwar nicht weiter auf, könne auf der Bühne aber ein Nachteil sein, befürchtet der junge Schauspieler.
Die Eltern und Großeltern sind „megastolz“
Noch vor seinem Abitur am Gymnasium Harksheide änderte sich dann seine Meinung. „Ich war auf einer Aufführung von einem älteren Freund, der seine Ausbildung an der Schauspielschule angefangen hatte. Und ich habe gedacht: Das kann ich auch!“ Milovanović fing an, Volkswirtschaftslehre zu studieren und nahm an drei Abenden in der Woche an einem dreimonatigen Vorsemester an der Schauspielschule teil. Im Aufnahmegespräch habe der Schulleiter dann gesagt: „Wir wissen das von deinem Arm, aber wir können dich nicht nicht nehmen.“
Mein Gedanke war dann, dass ich es schaffen muss“, erinnert er sich. Seitdem setzt Milovanović alles daran, seinen Traum zu verwirklichen. Unterstützt wird er dabei von seinen Eltern und Großeltern: „Die sind megastolz!“ Als er im vergangenen Sommer seinen ersten offiziellen Schauspiel-Job hatte, sei sein Vater zu fast jeder Aufführung gekommen. Und seine Oma hoffe, dass er ihrem Namen zu ein bisschen Ruhm verhelfe, erzählt der 23-Jährige.
Regisseur Hartmut Uhlemann, der den Froschkönig am Ernst Deutsch Theater inszeniert, glaubt an den jungen Norderstedter. „Miloš ist ein ganz talentierter, wacher Geist und bringt alles mit, was man für den Schauspielberuf braucht. Er hat eine wunderbare Stimme, eine gute Körperlichkeit und entwickelt die Figuren weiter.“ Er sei zudem sehr belastbar und kollegial.
„Miloš hat gute Chancen, groß rauszukommen, da ist aber natürlich auch ganz viel Glück dabei“, so Uhlemann. Bisher war das Glück auf seiner Seite. In seinem zweiten Ausbildungsjahr gewann Milovanović ein Stipendium. Seit Frühjahr 2020 ist er bei der Künstleragentur Publikumsliebling unter Vertrag.
Miloš Milovanović spricht sehr deutlich – und offenbar auch gerne – über seine Auftritte und Figuren, die er schon spielen durfte, fährt sich dabei minütlich durch die langen braunen Haare, die jetzt während des Lockdowns länger sind als gewöhnlich, wie er sagt. Publikum und Scheinwerferlicht scheinen ihm zu fehlen. Erinnerungen und Anekdoten spielt er quasi nach und verstellt seine Stimme, wenn er Kollegen oder seine Oma nachahmt.
In Zukunft würde Milovanović gerne sowohl auf der Bühne als auch vor der Kamera stehen. Bis er wieder in andere Rollen schlüpfen kann, plant er sein eigenes großes Projekt: eine Lesung über einen großen Satiriker. Dafür suche er noch einen Aufführungssaal und hofft, dass die Theater bald wieder öffnen. Sofern Corona dies zulässt, soll er Mitte März dann wieder quaken: Als Frosch Erich am Ernst Deutsch Theater.
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