Kreis Segeberg. Veranstaltungen anlässlich des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus finden in der Region online statt.

Bei einem Ausflug nach Lüneburg haben sich Schüler des Gymnasiums Kaltenkirchen mit einem besonders erschreckenden Kapitel deutscher Geschichte befasst: Zwei Klassen besuchten die „Euthanasie“-Gedenkstätte.

In der Psychiatrischen Klinik Lüneburg wurden zur Zeit der Nationalsozialisten Menschen mit einer Behinderung untersucht und behandelt – sehr viele fielen dem „Euthanasie-Programm“ zum Opfer. Der Besuch hat die Jungen und Mädchen so beeindruckt, dass sie ein kursübergreifendes Projekt zum Thema „Euthanasie“ gestartet haben. „Wir wollen die Eindrücke nicht einfach beiseite legen, sondern die Gedanken weiterhin verfolgen“, teilten die Schüler mit.

Schüler besuchen Psychiatrische Klinik Lüneburg

„Die Fahrt nach Lüneburg war kein normaler Ausflug. Anders als im Unterricht haben wir uns hier mit Biografien von Opfern und Tätern beschäftigt und versucht zu verstehen, was damals wirklich passiert ist“, sagt Piet Puls aus dem ersten Jahrgang der Oberstufe.

Seine Mitschülerin Emily Spiegel sagt: „Der Besuch in der Gedenkstätte der Psychiatrischen Klinik Lüneburg war sehr beeindruckend. Die teils sehr traurigen Geschichten von den Opfern zeigen die Grausamkeiten, die zu dieser Zeit geschehen sind, über die man aber der Schule leider nur sehr wenig erfährt. Dass man direkt auf dem Gelände stand und die alten Gebäude sah, in denen diese Verbrechen wirklich passiert sind, brachten einem das Thema sehr nahe. Dieses Erlebnis sollten unbedingt noch mehr Schüler erfahren können.“

Schüler erhielten Einblick in Originalquellen

Beim Ausflug in die erschütternde Geschichte der „Euthanasie“ haben die Schüler Biografien von Tätern und Opfern gelesen und versucht, einen Eindruck zu erhalten, was damals in der Klinik geschah und wie es an diesem Ort ausgesehen hat. „Zur Verfügung standen uns einige Bild- und Originalquellen wie Arztbriefe oder Amtsschreiben der Betroffenen“, heißt es in einem Bericht der Schüler. „Dadurch konnten wir einen sehr gezielten und persönlichen Eindruck von den Personen erlangen.“

Die Geschichte der einzelnen Menschen sei nicht immer leicht zu verkraften gewesen, da sie oft bei den Opfern mit einem absichtlich herbeigeführten Tod endete. „Es war sehr erschütternd zu sehen, wie Menschen mit anderen Menschen umgehen konnten und was für eine Motivation dahinter steckte.“

„Vor allem die Geschichten der Opfer aus der NS-Zeit gingen einem durch die zahlreichen Fotos und Bilder sehr nahe. Auch die interaktiven Aufgaben, die wir machen durften, haben einem deutlich gemacht, wie das damalige Denken das Handeln beeinflusst hat“, sagt die Schülerin Jasmin Kaisarly.

Geplante Veranstaltung fällt wegen der Corona-Pandemie aus

Die Schüler dankten dem Trägerverein der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen und dem Förderverein des Gymnasiums für die finanzielle Unterstützung für den Projekttag. Für den 27. Januar, wenn bundesweit an die Befreiung des Konzentrationslagers in Auschwitz erinnert wird, planten die Jungen und Mädchen ein erstes Ergebnis dieses Projekts öffentlich zu präsentieren.

Im Fach Darstellendes Spiel haben Schüler mit den Themen Freiheit, Gesundheit und „Euthanasie“ beschäftigt, das daraus entstandene szenische Stück sollte bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus im Gymnasium aufgeführt werden. Die Veranstaltung muss wegen der Corona-Pandemie ausfallen.

Einzelne Videosequenzen des szenischen Stücks können ab Mittwoch über den Instagram-Account https://www.instagram.com/erinnerung_ins_land_tragen/ abegrufen werden. Außerdem beteiligen sich der Trägerverein und die KZ-Gedenkstätte am selben Tag an einer Veranstaltung des Landesbeauftragten für politische Bildung des Landes Schleswig-Holstein mit dem Offenen Kanal Kiel. In der Livesendung diskutieren Experten über die Bedeutung und den Zustand der Gedenk- und Erinnerungskultur in Schleswig-Holstein und deren Attraktivität und Offenheit für Jugendliche. An der Diskussion nehmen Uta Körby, Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenk- und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein, und Landtagspräsident Klaus Schlie teil.

KZ-Gedenkstätte nimmt an bundesweiter Kampagne teil

In der Sendung wird ein vorproduzierter Beitrag gezeigt, in dem Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen über das Aus- und Fortbildungsprojekt „Erinnerung ins Land tragen!“ und über spezifische Bildungsangebote für Schüler und Jugendliche berichten. Die Sendung wird am 27. Januar ab 19 Uhr im Offenen Kanal Kiel ausgestrahlt und kann über den folgenden Link empfangen werden: https://www.oksh.de/ki/sehen/kiel-tv-livestream-2-2/.

Außerdem nehmen der Trägerverein und die KZ-Gedenkstätte erneut an einer bundesweiten Kampagne teil, die im vergangenen Jahr erstmals organisiert wurde. Zwischen 17 und 19 Uhr werden am 27. Januar im gesamten Bundesgebiet KZ-Gedenkstätten sowie weitere Gedenk- und Erinnerungsorte in unterschiedlicher Form beleuchtet. Gemeinsam bildet diese Vielzahl von Aktivitäten einen Beleuchtungsflashmob, der auf Fotos und Filmaufzeichnungen über den Hashtag #LichterGegenDunkelheit in den sozialen Medien Facebook, Twitter und Instagram eingesehen werden kann.

Online-Veranstaltungen in Norderstedt und Langenhorn

In Norderstedt gedenkt der Kulturverein Chaverim – Freundschaft mit Israel gemeinsam mit der Stadt der sechs Millionen ermordeter Jüdinnen und Juden in einer Gedenkstunde an der KZ-Gedenkstätte Wittmoor in Glashütte. Die Veranstaltung ist nicht öffentlich. Die Ansprachen sind anschließend auf www.chaverim-norderstedt.de zu lesen.

In Bad Segeberg richten am 27. Januar normalerweise die Liberale Jüdische Gemeinde, die evangelische Kirche und die Stadt die Feier zum Holocaust-Gedenktag abwechselnd aus. „In diesem Jahr ist keine Gedenkfeier möglich“, bedauert Bürgervorsteherin Monika Saggau und ruft für den 27. Januar zum stillen Gedenken an die Opfer auf. Auch eine Mahnwache an der Gedenkstätte der ehemaligen, in der Reichs-Pogromnacht zerstörten Synagoge gegenüber dem Rathaus findet wegen Corona nicht statt.

Zur „Woche des Gedenkens Hamburg-Nord“ lädt das ella-Kulturhaus in Langenhorn zur Online-Veranstaltung "Schwarze Menschen im Nationalsozialismus: Verfolgung – Selbstbehauptung – Widerstand" am Donnerstag, 28. Januar, von 19 Uhr an ein. Susann Lewerenz von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme spricht dann online über Diskriminierung und Verfolgung, Selbstbehauptung und Widerstand schwarzer Menschen während des NS-Regimes und berichtet über die afrodeutsche Hamburger Jugendliche und Liedermacherin Fasia Jansen, die zwangsarbeiten musste.

Die Teilnahme an der Online-Veranstaltung ist frei. Um Anmeldung wird unter www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de oder amina.edzards@gedenkstaetten.hamburg.de per E-Mail gebeten. Das ganze Programm der Woche des Gedenkens ist unter www.ella.mookwat.de oder auf der Website des Bezirksamts Hamburg Nord abrufbar.