Fraktion will ein “Zeichen setzen“. Kontaktbeschränkungen müssten auch für Politik gelten. Derzeit keine Video-Sitzungen möglich.

Henstedt-Ulzburg. „Es ist ein mulmiges Gefühl“, das hört man manchmal von Politikern, die an Sitzungen teilnehmen, teilweise mit mehreren Dutzend Anwesenden, mit Bürgern, mit Mikrofonen, die nach jeder Benutzung desinfiziert werden müssen. Die Sorge über das potenzielle Risiko einer Covid-19-Infektion, wenn die Personen zwar mit Abstand, aber trotzdem ohne Maske an Tischen sitzen, ist unterschiedlich ausgeprägt. Die Grünen in Henstedt-Ulzburg haben nun für sich entschieden, dass sie ab sofort und solange der „Lockdown“ dauert, nicht mehr an Sitzungen der Gremien teilnehmen werden.

„In Schleswig-Holstein sollen die Kontakte auf den eigenen Hausstand und eine weitere Person beschränkt werden, während wir uns mehrmals wöchentlich mit circa 20 Teilnehmenden im Ratssaal zusammensetzen. Das ist aus unserer Sicht unverantwortlich“, sagt der Fraktionsvorsitzende Thorsten Möhrcken. Zwar habe die Verwaltung mit Durchlüftung und Desinfektionsspendern ein hohes Maß an Vorkehrungen getroffen, „nichtsdestotrotz müssen auch wir als Politik in diesen Zeiten ein Zeichen setzen.“

Noch gibt es kein Konzept für digitale Sitzungen

Schon im Dezember hatten die Gründen dafür plädiert, Sitzungen der Gremien, also auch der Gemeindevertretung, komplett digital durchzuführen. In der Tat hat die Gemeinde im Sommer 2020 das Videokonferenzsystem Tixeo erworben, die Lizenzen stehen auch der Politik zur Verfügung. Allerdings seien bisher nicht alle Voraussetzungen geschaffen, um Sitzungen per Video stattfinden zu lassen – die größten Fragen betreffen die Beteiligung der Öffentlichkeit und den Datenschutz.

Im Hauptausschuss am Dienstag war somit letztmalig ein grüner Mandatsträger – Möhrcken selbst – dabei. Hauke Welp, Sprecher der Henstedt-Ulzburger Grünen, sagt auf Abendblatt-Nachfrage: „Wir hoffen, dass die anderen Fraktionen mitziehen.“ Man wolle konsequent sein. „Wir haben bei uns Risikogruppen, wir haben Familien. Es ist unverständlich, dass der politische Betrieb weitergeht, während wir uns im Leben einschränken.“ Das bedeutet auch, dass der nichtöffentliche Schulleiterwahlausschuss in der nächsten Woche (Mittwoch, 20. Januar, Ratssaal), wenn es um die Besetzung der Leitung im Alstergymnasium geht, ohne grüne Beteiligung tagen wird.

Gremien bleiben beschlussfähig

Für Henstedt-Ulzburg ist dieser Schritt ein Novum, wenngleich andere Kommunen, etwa Ahrensburg im Januar und Bad Segeberg im Januar und Februar, ihren politischen Betrieb offiziell ruhen lassen. „Grundsätzlich besteht eine Pflicht, an Sitzungen teilzunehmen“, sagt Jens Richter, büroleitender Beamter im Henstedt-Ulzburger Rathaus und Experte für kommunale Verfahrensangelegenheiten. Auf eine Teilnahme mit Blick auf die Corona-Pandemie zu verzichten, sei aber ein „triftiger Grund“. Damit Gremien beschlussfähig sind, muss mindestens die Hälfte aller Mitglieder anwesend sein, das wäre auch ohne die Grünen gewährleistet.

Richter bestätigt, dass Tixeo zwar für Konferenzen genutzt werde, aber für öffentliche Sitzungen nicht geeignet sei. Hier werde derzeit vom Dienstleister Dataport ein System entwickelt, das landesweit zur Anwendung kommen soll.

Die Hoffnung der Grünen, dass sich andere Fraktionen anschließen und der Sitzungskalender damit ruhen könnte, scheint sich aber nicht zu erfüllen. Für die CDU sagt Dietmar Kahle, Chef der größten Fraktion und Vorsitzender des Hauptausschusses: „Wir haben intern darüber gesprochen. Die Meinungen sind unterschiedlich, es steht jedem frei, ob man kommt oder nicht.“ Manche Sitzungen seien aus bestimmten Gründen aber wichtig. So auch der Hauptausschuss, wo es im nichtöffentlichen Teil um eine millionenschwere Grundstückssache ging – ein externer Gast war für eine juristische Beratung per Tixeo zugeschaltet, allerdings nur das Audiosignal.

Andere Fraktionen äußern Verständnis, ziehen aber nicht mit

Horst Ostwald von SPD sagt, er habe „volles Verständnis dafür“, wenn Politiker sich gegen eine Anwesenheit entscheiden. „Auch ich habe in der Fraktion Kolleginnen und Kollegen, die nicht teilnehmen möchten.“ Er erwartet, dass sich die jeweiligen Ausschussvorsitzenden und die Verwaltung eng abstimmen, ob manche Themen und Termine nicht auch verschoben werden können. „Wichtige Sitzungen müssen stattfinden, aber wir werden nicht immer in voller Besetzung erscheinen. Jeder muss es für sich abwägen. Ich werde hingehen, aber das Gefühl ist nicht gut“, sagt Karin Honerlah, Fraktionsvorsitzende der WHU. Sie rät einerseits, den politischen Betrieb nicht zu wichtig zu nehmen, manche Beratungen können aus ihrer Sicht auch in ein paar Monaten stattfinden. Der Schulleiterwahlausschuss sei aber wichtig, da man nicht wisse, ob Bewerber, die sich jetzt vorstellen werden, auch noch im März oder April zur Verfügung stehen würden. Tile Abel (BfB) plädiert für ein gestrafftes Programm. „Wir werden nur Dinge behandeln, wo Entscheidungen notwendig sind.“ Der Entscheidung der Grünen müsse man „mit Respekt“ begegnen.

Klaus-Peter Eberhard von der FDP fühlt sich überrumpelt. „Die Grünen hätten es mit uns besprechen können. Und es wird so getan, als ob wir bei den Versammlungen, die zum Teil auch sehr wichtig sind, nicht auf alle Schutzmaßnahmen achten. Wir laufen alle mit Maske durch den Saal, desinfizieren unsere Hände, die Verwaltung führt eine Liste mit den Anwesenden, die Tische stehen weit auseinander.“ Was ihn aber noch mehr ärgert: „Wir sind nicht in der Lage, die Sitzungen rechtskonform online zu machen. Es ist traurig, dass wir es nicht schneller hinbekommen haben.“