Kolumnist Jan Schröter fühlt mit den Hühnern der Region und spendet ihnen als Leidensgenosse Trost

Guten Morgen, liebe Hühner im Landkreis Segeberg. Ein ebensolcher Gruß geht an Enten, Gänse und artverwandtes Federvieh, für welches dieser Text gleichermaßen gilt. Um jedoch bei einer klar umrissenen Zielgruppe zu bleiben, beschränke ich mich auf die Hühner.

Wobei „beschränken“ gleich das treffliche Stichwort ist. Nach dem Tod einer Wildente, gestorben an der Vogelgrippe vom hochgradig ansteckenden Typus H5N8 und verendet leider inmitten einer Hühnerschar im beschaulichen Dorf Heidmühlen, gilt nun kreisweit der Lockdown. Willkommen im Club, liebe Hühner. Das ist für Euch eine schockierende Situation, die vermutlich selbst das älteste Suppenhuhn Eurer Bezugsgruppe noch nie erlebt hat. Vernehmt deshalb ein paar Ratschläge eines einschlägig erfahrenen Menschen, der bereits zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit aufgestallt wurde. Also: Fürchtet Euch nicht in der Finsternis des Stalls. Draußen herrscht grauer November, es wächst kein frisches Grün, Ihr versäumt gar nichts. Mit ein bisschen Glück kräht sogar Euer Hahn später als sonst, weil er nicht schnallt, dass längst der Wecker geklingelt hat. Hegt keine Existenzangst. Ihr werdet nicht darben. Wenn Ihr nicht zum Futter kommt, kommt das Futter zu Euch. Auf Eure Bauern ist Verlass. Damit im Stall keine Langeweile aufkommt, organisiert gefälligst Euer Homeoffice. Die Eier werden nicht mehr im Freestyle irgendwo in die Rabatten gelegt, sondern fein säuberlich in die dafür vorgesehen Boxen. Ratsam wäre dafür, die angestammte Hackordnung zeitgemäß zu überarbeiten. Wer die dicksten Eier legt, bezieht die beste Box – egal, wie sehr diese Henne vielleicht früher auf dem Freilaufgelände von den anderen gemobbt wurde. Eine Pandemie bedeutet nämlich auch Chancen auf Veränderung. Hört nicht auf das Huhn, welches am lautesten gackert und behauptet, ihm stünde die beste Box zu – weil, zöge man die illegalen Eier ab, wäre seines das Größte. Denkt daran: In der drangvollen Enge des Stalls zeigt sich, wer die besten Nerven hat. Ich weiß, Nerven bewahren zählt nicht unbedingt zu den Kernkompetenzen Eurer Gattung. Menschen stoßen in dieser Hinsicht auch leicht an ihre Grenzen. Ein paar Tage Lockdown aus Rücksicht für die allgemeine Gesundheit, schon verwechseln die ersten Artgenossen Egoismus mit Grundrechten. Sie werden beschwören, es gäbe gar keine Vogelgrippe, die Wildente in Heidmühlen sei an purer Altersschwäche gestorben. Der Bauer würde die Schauergeschichte von H5N8 nur benutzen, um Euch irgendein Zeug ins Futter zu mischen, das Euch gefügig macht – nach dem Verzehr würdet Ihr Euch alle gegenseitig rupfen und in bratfertige Hälften zerfallen.