Kreis Segeberg

„Lieber Herrgott, musste das wirklich sein?“

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Einen Statue der Justitia (Symbolbild).

Einen Statue der Justitia (Symbolbild).

Foto: Michael Rauhe

Das Amtsgericht Bad Segeberg verurteilt 79-Jährige wegen fahrlässiger Tötung. Bei einem Unfall waren zwei E-Bike-Fahrer gestorben.

Bad Segeberg. Mehr als 60 Jahre ist sie Auto gefahren. „Ohne Probleme und ohne jeden Tadel“, betonte die Angeklagte leise vor dem Amtsgericht Segeberg. Die Frau mit der jahrzehntelangen Fahrpraxis ist immerhin schon 79 Jahre alt. Einmal, nur wenige Sekunden, hat sie im vorigen Oktober hinterm Lenkrad nicht aufgepasst. Ein Fehler, der ihr ganzes Leben auf den Kopf stellte. „Ich möchte“, sagte sie unter Tränen, „es wäre alles nie gewesen“.

So stellte die Rentnerin, die ihr ganzes Leben in der Landwirtschaft gearbeitet hat, die rhetorische Schuldfrage „Lieber Herrgott, musste das wirklich sein?“ Die Anklage lautete auf fahrlässige Tötung.

Ehepaar stirbt nach Zusammenstoß in Bornhöved

Laut Anklage wollte die Kleinwagenfahrerin im Oktober in Bornhöved unmittelbar nach einer Linkskurve links in eine Einfahrt abbiegen. Dabei bemerkte die Seniorin ein entgegenkommendes Ehepaar auf E-Bikes nicht. Beide fuhren nacheinander vorschriftsmäßig auf der rechten Seite. Beide Radler knallten gegen den Kleinwagen – der Mann erlag noch am Unfallort seinem Schädel-Hirntrauma, seine Frau kam sofort ins Krankenhaus und starb wenige Tage später auf der Intensivstation. Die Radler seien sehr schnell gewesen, betonte die Frau. Sie habe sofort gebremst, aber es sei zu spät gewesen, bedauerte die 79-Jährige.

In der Beweisaufnahme kam heraus, dass beide Opfer keine Schutzhelme trugen. Stattdessen hatten die Eheleute, die 80 beziehungsweise 84 Jahre alt waren, Pudelmützen auf. Außerdem sei der Mann, der vor seiner Frau fuhr, halb blind gewesen. Er habe nur zwei Meter weit sehen können. Dies sei im ganzen Ort bekannt gewesen, erklärte der Verteidiger.

Die betagten Radfahrer waren mit Tempo 25 unterwegs

In der Analyse kam ein Gutachter zum Schluss, dass die E-Bike-Fahrer vor dem Zusammenstoß mit etwa 25 km/h unterwegs waren. Nach seiner Erkenntnis seien der Angeklagten nach dem Wahrnehmen der Radler bis zum Zusammenstoß gerade mal 2,6 Sekunden Zeit geblieben. Die Angeklagte trägt schwer an diesem Unfall. „Abends, wenn ich allein bin“, berichtete die geistig rege, aber gehbehinderte Witwe, „laufen die Bilder durch den Kopf“. Bis zu ihrem Lebensende müsse sie mit den schrecklichen Folgen des Unfalls leben. Dies sei ein schweres Kreuz.

Die Segeberger Amtsrichterin sah die Anklage als erwiesen an und verurteilte die 79-Jährige wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 1500 Euro. Außerdem muss sie ihren Führerschein für ein Jahr abgeben. Ob sie den anschließend zurückerhält, ist nach Aussagen von Gerichtsbeteiligten eher unwahrscheinlich.

( olz )

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