50 Jahre Norderstedt

Er ist der Spielplatzpionier aus dem „Kaba-Dorf“

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Frank Knittermeier
Kunterbuntes Spielparadies: Udo Heidemann und Ehefrau Renate am Jumbopfad in Norderstedt-Mitte.

Kunterbuntes Spielparadies: Udo Heidemann und Ehefrau Renate am Jumbopfad in Norderstedt-Mitte.

Foto: Thorsten Ahlf

Udo Heidemann und seine Elterninitiative sorgten in den 1970er-Jahren dafür, dass die kleinsten Norderstedter zu ihrem Recht kamen.

Norderstedt.  Wenn Renate und Udo Heidemann zum Herold-Center gehen, kommen sie an einem großen Holzschild mit kunterbunten Buchstaben vorbei: „Jumbopfad“ steht dort am Beginn eines Weges, der hinüber zur Marommer Straße führt. In etwa 2,50 Meter Höhe ist das Holzschild zwischen zwei Holzpfosten befestigt, links und rechts von den Buchstaben sind zwei rote Elefanten mit weißen Knopfaugen angebracht.

Wer hier täglich im Wohnbereich Lütjenmoor unterwegs ist, achtet wahrscheinlich gar nicht mehr auf diese Tafel und ahnt natürlich erst recht nicht, was dahintersteckt. Aber das Ehepaar Heidemann, das auf der anderen Seite der Straße Lütjenmoor wohnt, kennt die Geschichte des Jumbopfades ganz genau: Udo Heidemann, heute 80 Jahre alt, gehörte vor 46 Jahren zu den Begründern des Pfades, der heute noch seine Funktion als „Spielmeile“ für kleinere Kinder erfüllt.

Er war damals Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft Freizeitgestaltung Lütjenmoor“, einer Elterninitiative, die den Anstoß gab, dass speziell im Lütjenmoor-Gebiet der Spielplatzmangel beseitigt wurde. Darüber hinaus hat diese Initiative den Blick der Verantwortlichen im Rathaus für den Spielplatzbau in ganz Norderstedt geschärft.

Udo Heidemann ist schon ein wenig stolz über diese kleine Spielmeile in der Nähe des Herold-Centers und vis-a-vis des Coppernicus-Gymnasiums. „Ein Spielparadies für Kinder“ lautete die Überschrift am 4. März 1974 in der Norderstedter Zeitung. Und genau das ist es tatsächlich bis heute geblieben. Ein wenig abgespeckt zwar, aber immerhin. Was heute für die Kinder und Eltern in diesem Quartier selbstverständlich ist, musste sich eine andere Generation schwer erkämpfen.

Hauswarte verscheuchten Kinder von den Grünflächen

„Damals“, erinnert sich Udo Heidemann, „war Norderstedt noch nicht so wie heute mit schönen und spannenden Spielplätzen gesegnet.“ Tatsächlich gab es zum Beispiel in dem Ballungsgebiet Garstedt kaum öffentliche Spielplätze rund um das Herold-Center. Die junge Stadt von damals musste sich erst finden, im Rathaus war der Blick für Kinderspielplätze noch nicht so geschärft wie in späteren Jahren.

Als die Heidemanns eine junge Familie und die Söhne Jan (heute 47) und Axel (52) noch klein waren, störte es sie und viele andere Familien im Lütjenmoor-Gebiet, dass es nur Spielmöglichkeiten für Kleinkinder gab. Kinder, die auf den Rasenflächen spielen wollten, wurden von den Hauswarten verscheucht – was einige Eltern auf die Palme brachte. Das Ehepaar Frey aus dem Wohnblock Lütjenmoor 49 lud per Aushang kurzerhand Eltern auch aus den umliegenden Häusern zu einer Diskussion über dieses Thema in ihre Wohnung ein. Thema: Was können die Eltern selbst tun, um die Situation zu verbessern? Können wir Eltern in Eigeninitiative selbst einen Spielplatz bauen?

Damit rannten sie im Rathaus offene Türen ein: Die Stadt genehmigte einen Spielplatzbau durch die Eltern auf der Freifläche zwischen dem Sportplatz und der angrenzenden Wohnbebauung. Die Stadt unterstützte das Vorhaben mit einem „beträchtlichen“ Betrag, die Firma Kaffee Haag steuerte zum Bau eines „Kaba-Dorfes“ 5800 Mark bei.

Aber zunächst musste aus eventuell rechtlichen Haftungsgründen die Arbeitsgemeinschaft Freizeitgestaltung Lütjenmoor e. V. gegründet werden. Udo Heidemann wurde zum Vorsitzenden gewählt, 152 Eltern traten mit ihren 150 Kindern dem Verein bei.

So nahm die Geschichte, deren Auswirkungen bis heute deutlich zu spüren sind, ihren Lauf. Nach einigen Anläufen einigten sich die Eltern auf den Namen „Jumbopfad“. Die beiden Elefanten und die Holzbuchstaben haben Renate (heute 78 Jahre alt) und der Werbefachmann Udo Heidemann im Wohnungskeller ausgesägt und bunt bemalt. Die Kinder hatten Gelegenheit, an einem Malwettbewerb teilzunehmen, um auf diese Weise ihre Gestaltungswünsche zu artikulieren, der ebenfalls in diesem Gebiet lebende Garten- und Landschaftsarchitekt Karl Engelbrecht, der auch zum Vereinsvorstand gehörte, fertigte technische Zeichnungen vom Jumbopfad und den Spielgeräten an, die Eltern bauten ein vier Meter langes Modell, das zusammen mit den von Kindern gemalten Bildern in der Garstedter Stadtbücherei der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

An vielen Wochenenden wurden in den nächsten Monaten von zahlreichen fleißigen Helfern aus der Elternschaft interessante Spielgeräte nach eigenen Plänen gebaut und aufgestellt. Damals war das noch möglich. Andere Geräte wurden gekauft. „Es entstanden Wippen, Kletterwände, Reckstangen, Schaukeln, eine Tischtennisplatte, ein Bolzplatz mit Toren und eine riesige Sandkiste“, erinnert sich Udo Heidemann. Im „Kaba-Dorf“ wurde ein drei Meter hoher Palisadenturm mit Aussichtsplattform gebaut. Später gab es auf dem Jumbopfad Kinderfeste, die in abendliche Erwachsenen-Partys mit Livemusik mündeten. Sogar eine Busfahrt zu den Karl-May-Spielen wurde organisiert.

Renate und Udo Heidemann erinnert sich gern an diese Zeiten. Denn nicht nur die Kinder profitierten davon. „Die Eltern kamen sich näher, sodass es mit der Anonymität in dieser Wohngegend schnell vorbei war.“ Es entstanden Freundschaften, die heute noch bestehen. Die Heidemanns zogen irgendwann in eine Eigentumswohnung auf der anderen Straßenseite, aber die Verbindung zum Jumbopfad blieb natürlich bestehen.

Nach vier Jahren übernahm die Stadt Norderstedt den Pfad, die Eltern und der Vereinsvorstand konnten sich zurücklehnen und sich weiterhin über „ihr“ Werk freuen. Bis heute ist es so. Inzwischen ist der Pfad etwas kleiner geworden, weil an der Marommer Straße das Emma-Plambeck-Haus gebaut wurden, aber das Prinzip ist erhalten geblieben.

Ein Spielgerät aus der Anfangszeit existiert sogar noch: Ein Schaukelesel am Anfang des Jumbopfads, der nach 46 Jahren nicht nur von großen und kleinen Kindern, sondern gelegentlich gerne auch von Müttern und Vätern genutzt wird.

Rückblickend ist Udo Heidemann immer noch stolz auf die vollbrachte Gemeinschaftsleistung: „Das ganze Vorhaben ist in unseren Augen auch noch heute ein gutes Beispiel für eine Initiative von Bürgern, die im Zusammenspiel mit Politik und Verwaltung zu einem vernünftigen Ergebnis gekommen ist.“

Seit 65 in Norderstedt Persönlichkeiten lernte sie kennen Ich bin so dankbar. Ich danke jeden Abend Gott.

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