Norderstedt. Die Serie von Radunfällen auf der Niendorfer Straße im Juni 2019 war fast schon unheimlich. Innerhalb von nur drei Wochen wurden dabei Menschen schwer und lebensgefährlich verletzt.
Am 13. Juni ging es los an der Niendorfer Straße, Einmündung Gutenbergring: Eine 65-Jährige quert die Niendorfer Straße und wird von einem links abbiegenden Lastwagen übersehen. Die Frau kommt mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus.
Nur 13 Tage später – an derselben Stelle: Ein 43-jähriger Rennradfahrer aus Quickborn wird von einem links in den Gutenbergring abbiegenden Autofahrer übersehen und beim Zusammenstoß schwer verletzt.
Lastwagenfahrer übersieht Mann auf E-Bike
Schließlich, einen Tag später, auf der Niendorfer Straße, Höhe Einmündung Heuberg: Ein Lastwagen übersieht beim Abbiegen auf ein Grundstück einen 42 Jahre alten E-Bike-Fahrer. Der kann den Zusammenstoß durch eine Vollbremsung verhindern, wird aber über die Lenkerstange katapultiert und verletzt sich beim Sturz schwer.
Im Verkehrsreport 2019 der Polizei Norderstedt sind die Unfälle auf der Niendorfer Straße drei von 112 im gesamten Stadtgebiet. Das sind zwar neun weniger als im Jahr 2018.
„Aber bei den 112 Unfällen wurden 19 Radfahrer schwer verletzt. Das sind mehr als doppelt so viele wie 2018 und weitaus mehr als in vielen Jahren zuvor. Und deswegen müssen wir da genau hinschauen“, sagt der Verkehrsexperte des Norderstedter Reviers, Kai Hädicke-Schories, der den Verkehrsreport seit Jahren erstellt.
Bei 82 der 112 Unfälle kamen sich Auto- oder Lastwagenfahrer mit Radlern ins Gehege. Bei 71 Unfällen spielten Ampelschaltungen eine Rolle. Was die Schuldfrage, den sogenannten Tatvorwurf angeht, so weist der Report aus, dass die Radfahrer bei 72 der 112 Unfällen zumindest eine Mitschuld hatten.
Die E-Bikes spielen eine zunehmende Rolle bei Unfällen
Neben der Unachtsamkeit der Autofahrer spiele besonders ein Verstoß der Radfahrer laut Kai Hädicke-Schories die Hauptrolle bei Fahrradunfällen. „Wenn wir es schaffen würden, dass alle Radler nicht mehr auf der falschen Seite der Straße gegen die Fahrtrichtung unterwegs wären, könnten wir die Hälfte aller Unfälle sicher vermeiden.“
Zu einem größer werdenden Problem sind die E-Biker geworden. In elf Unfälle mit vier Schwer- und sechs Leichtverletzten waren sie verwickelt – so viele wie noch nie in Norderstedt. „Die E-Biker sind oft mit hohen Geschwindigkeiten unterwegs. Wenn sie verunglücken, dann sind die Folgen oft schwerwiegend.“
Ein Verkehrstoter in Norderstedt
Insgesamt machen die Radunfälle in der Statistik nur etwas mehr als 23 Prozent des Unfallgeschehens im Jahr 2019 auf Norderstedter Straßen aus. Die Gesamtzahl von 1706 Unfällen ist zwar um 125 höher als im Vorjahr, bleibt aber unauffällig im Vergleich zu den Mittelwerten vergangener Jahre.
Nur einen Verkehrstoten gibt es zu beklagen (2018: vier Tote). Ein 33-Jähriger überholte am 30. Mai gegen 18 Uhr auf dem Buchenweg zwei Autos mit seiner Suzuki SV 650. Beim Versuch, wieder einzuscheren, touchierte er einen entgegenkommenden VW Golf. Beim Sturz wurde er so schwer verletzt, dass er verstarb.
Die Gründe für Unfälle sind immer dieselben: Beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren passieren die meisten Unfälle (124). Danach kommen die Missachtung der Vorfahrt (113) und mangelnder Abstand zum Vordermann (51). „Zu hohe Geschwindigkeit, Alkohol oder Drogen sind im Norderstedter Unfallgeschehen keine Hauptursache“, sagt Hädicke-Schories.
Am häufigsten kracht es auf der Schleswig-Holstein-Straße
Beim Blick auf die Stellen im Straßennetz, an denen es am häufigsten kracht, fällt der Kreisverkehr am Ochsenzoll aus zwei Gründen besonders ins Auge. Obwohl bis zu 50.000 Autos am Tag über den Kreisel fahren, ist er mittlerweile kein Unfallschwerpunkt mehr. 2019 gab es lediglich 22 Unfälle, die meisten davon Bagatellen.
Zum gefährlichen Unfallschwerpunkt hingegen entwickelt sich die Tunnelausfahrt des Kreisverkehrs in Richtung der Hamburger Landesgrenze auf der Langenhorner Chaussee. Es gibt immer wieder Lebensmüde, die im Kreisverkehr zunächst in Richtung Hamburg abbiegen, es sich kurz hinter der Tunnelausfahrt aber anders überlegen und mit einem U-Turn die Gegenrichtung einschlagen wollen.
Dabei haben sie kaum Sicht auf den Verkehr, der aus dem Tunnel kommt. Viermal kam es wegen der U-Turns 2019 zu schweren Unfällen (2018: 6), dabei wurden vier Menschen leicht verletzt. „Wir haben im dem Bereich jetzt Abstandhalter aufgestellt, über die man nicht drüberfahren kann und hoffen, dass dieses Phänomen jetzt aufhört“, sagt Hädicke-Schories.
Unvernunft und riskantes Fahren sorgen für Unfälle
Mit 26 Unfällen weiterhin der größte Unfallschwerpunkt der Stadt ist die Kreuzung der Poppenbütteler mit der Schleswig-Holstein-Straße. „Die Kreuzung ist mittlerweile perfekt eingerichtet. Baulich geht da nichts mehr“, sagt Hädicke-Schories. Unvernunft und riskantes Fahren sorge für die Unfälle.
Norderstedt bleibt im Übrigen eine bundesweit überdurchschnittlich mit Autos versorgte Stadt: 58.543 Fahrzeuge (2018: 57.900) waren bis Ende 209 zugelassen. Eine Steigerung gegenüber dem Jahr 2010 (51.858) von knapp 13 Prozent. Bei einer Einwohnerzahl von 80.684 (2010: 75.097) sind damit in Norderstedt 665 Kraftfahrzeuge (ohne Anhänger) pro 1000 Einwohner zugelassen (2010: 637).
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