Bad Bramstedt. Die Krise beeinflusst alle Lebensbereiche und stellt Menschen vor neue Herausforderungen. Haare schneiden zum Beispiel.

Wir werden alle sterben. Da kann die Kanzlerin noch so sehr Besonnenheit predigen, wir gehen alle drauf. Jedenfalls der männliche Teil der Bevölkerung. Zumindest diejenigen, die partnerschaftlich mit einer Frau zusammenleben. Nachdem ich heute mit einem Gastronomen aus dem Osnabrücker Land telefoniert habe, weiß ich, dass es so kommen muss.

Der Mann ruft mich an, um meine für Anfang April in seinem „Kulturcafé“ geplante Lesung abzusagen. Wegen Corona, schon klar. „Die Veranstaltung holen wir nach, wenn wir die Seuche überleben“, tröste ich. „Werden wir aber nicht“, kommt es verzagt zurück, „ich überlebe garantiert nicht.“ Ich erschrecke und hake besorgt nach. Schmerzen? Fieber? Positiv getestet? Nichts dergleichen, erklärt der Gastronom. Aber bei ihm in der Gegend hätten jetzt alle Friseursalons geschlossen. Wegen Corona, auch schon klar. Ich sehe das Problem trotzdem noch nicht – dieser Mann hat eine Glatze und kann von Glück reden, der braucht überhaupt nie zum Friseur. Also: was? „Meine Frau.“ Sein Seufzer klingt hohl, als käme er aus der Tiefe eines Brunnenschachts. Gabi müsste zum Friseur. Der hat zu, aber der Ehemann ist ja nun zu Hause. „Sie sollen Ihrer Frau die Haare schneiden?“, schwant es mir. Er bestätigt das. „Dabei hat sie immer was zu meckern, wenn sie vom Friseur kommt! Frisur zu lang, Frisur zu kurz…“ „…Föhnwelle sitzt nicht, der Pony ist verklatscht…“, falle ich ein, und er schnaubt verzweifelt. „Ich kann nicht mal eine Rasenkante gerade abstechen! Und Sie hätten mal den Scherenschnitt sehen müssen, den ich damals im Grundschul-Bastelunterricht fabriziert habe! Beim ersten Blick in den Spiegel wird Gabi mich umbringen. Falls Sie nie wieder etwas von mir hören – Sie wissen Bescheid.“