Norderstedt. Carmen Grospitz (62) ist die perfekte Gastgeberin: Liebevoll hat sie auch an diesem Morgen das Frühstücksbüffet mit Müsli, Brot, Brötchen, Wurst, Käse und diversen Obstsorten zubereitet. Und macht sich nun ans Waffelbacken. Ein köstlicher Duft durchzieht den Frühstücksraum. Fühlt sich an, wie nach Hause kommen.
Immer wieder montags bis donnerstagsvormittags lädt das Mütterzentrum Norderstedt zum offenen Treff oder zur „Krabbelgruppe mit lecker Frühstück“ ein. Dann können die Kleinen im Alter zwischen fünf Monaten und zwei Jahren von 9 bis 9.45 Uhr mit ihren Müttern und einer Erzieherin spielen, singen, toben und anschließend gemeinsam (zum Selbstkostenpreis) frühstücken.
Das ist nur eines von vielen Angeboten des Mütterzentrums am Kielortring, das am 27. März 30 Jahre alt wird.
Einmal in der Woche ist Carmen Grospitz als Gastgeberin im Einsatz. Ehrenamtlich. „Gastgeberinnen spielen in unseren Mütterzentren eine wichtige Rolle“, sagt Christiane Liebendörfer, Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Mütterzentren mit Sitz in Limburg, dem 400 Mütterzentren in Deutschland angeschlossen sind. „Ihr Engagement trägt maßgeblich dazu bei, dass unsere bundesweit familiären ‚öffentlichen Wohnzimmer’ als persönliche Entdeckungs-, Entwicklungs- und Erfahrungsräume wirken. Dass aus Begegnungen nachhaltige Beziehungen werden.“
Bestes Beispiel dafür ist die Krabbelgruppe mit der Norderstedterin Jessica Hoffmann, ihrem sechs Monate alten Linus und vier weiteren Müttern mit Kleinkind. „Wir sind eine super harmonische Gruppe. Und der Kleine hat richtig viel Spaß“, sagt die 30-Jährige, Spricht’s und genießt in der Damenrunde ihr Frühstück, während sich Sohn Linus beherzt an Mama kuschelt.
Die Mütter hatten es satt, alleine zu Hause zu sitzen
Die Gründung des Mütterzentrums, kurz „Müze“ genannt, vor 30 Jahren ging einher mit einer bundesweiten Bewegung. Frauen hatten es satt, allein mit ihren Kindern zu Hause zu sein. Sie wollten raus in die Öffentlichkeit, Kontakte knüpfen, sich wieder im Leben fühlen. Eben das sagten sich auch die zehn Damen in Norderstedt, die in einer Privatwohnung den Verein in Norderstedt gründeten. Los ging es in einem kleinen Raum an der Alte Dorfstraße. „Diese Damen haben das damals schon ehrenamtlich gemacht. Jeder konnte kommen, ohne Anmeldung“, sagt Clarisa Ferrer de Del Castillo Campos (52), eines der fünf ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder des „Müze“.
Erste Angebote wie die Krabbelgruppen entstanden, neue Räume in der Tannenhofstraße wurden 1992 gefunden. Seit September 2002 hat das „Müze“ seinen Sitz am Kielortring. Anno 2020 wartet die Einrichtung mit einem wöchentlich durchgängigen und abwechslungsreichen Programm auf: vom offenen Treff (auch für Alleinerziehende!), über die Krabbel-, Spiel- oder Bastelgruppe, die Englischnachhilfe für Schüler, Spanischkursus für die Eltern oder Großeltern bis hin zum Kinder- und Teenieflohmarkt oder Frauenkleidermarkt.
Ausgelagerte Bastelkurse und eine Sommerferienbetreuung für Grundschüler im Fossi-Haus am Böhmerwald 71 zählen dazu, genauso Kurse wie „Bodyfit“, „Weg mit dem Babyspeck“ und „Mutter-Kind-Turnen“ in Kooperation mit dem SOS Kinderdorf Harksheide. Hier trifft sich auch die betreute Spielgruppe „Müze Dorfkinder“ als Vorbereitung auf die Kindergartenzeit. Kinderboxen ist möglich in Kooperation mit dem Box Sport Zentrum Norderstedt. Erziehungs- und psychologische Beratung ergänzen das Angebot.
Ein Novum innerhalb der Mütterzentren Schleswig-Holsteins: die Rechtsberatung. „Zwei Anwältinnen bieten kostenlos eine Erstberatung im Familien- und Arbeitsrecht an“, sagt Clarisa de Del Castillo Campos. Eine der Damen sei während ihrer Elternzeit mit ihrem Kind selbst Gast im „Müze“ gewesen und möchte mit ihrem Angebot ein Dankeschön zurückgeben. Ferrer de Del Castillo Campos: „Die Beratung ist eine tolle Sache, da viele Mütter nach der Elternzeit immer wieder Probleme mit der Arbeitsstelle haben.“
7000 Gäste verzeichnet das „Müze“ im Jahr
Die Stadt Norderstedt unterstützt die Einrichtung mit einem Zuschuss für Miete, das Büro, einen Mini-Job und die Reinigung der Räume. Die weitere Finanzierung erfolgt über die Kurseinnahmen, Mitgliedsbeiträge in Höhe von 36 Euro im Jahr und Spenden von Privatpersonen, Firmen und Organisationen. Der Hamburg Airport Nachbarschaftspreis 2019 ermöglicht dem „Müze“ in diesem Jahr den Kauf einer Sandkiste und eines Holzspielhaus für die Krabbelgruppe.
Rund 7000 Gäste jährlich nutzen das interne und externe Angebot des „Müze“. Auch Neubürgerinnen sind darunter. Ferrer de Del Castillo Campos: „Junge Mütter oder Väter, die sich integrieren möchten, finden bei uns einen Platz, an dem sie sich auch Zuhause fühlen dürfen.“
Seinen 30. Geburtstag feiert das Mütterzentrum Norderstedt am 14. Juni mit einem großen Sommerfest. Wer sich an der Vorbereitung beteiligen möchte, ist herzlich willkommen.
Die Einrichtung freut sich auch über weitere Mitglieder und ehrenamtliche Unterstützer/innen. Kontakt: info@muetterzentrum-norderstedt.de oder telefonisch 040/5 23 72 50. Weitere Infos unter www.muetterzentrum-norderstedt.de
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