Kreis Segeberg

FDP-Abweichler macht neue Fraktion in Norderstedt auf

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Die 12. Norderstedter Stadtvertretung im Plenarsaal.

Die 12. Norderstedter Stadtvertretung im Plenarsaal.

Foto: Andreas Burgmayer

Zusammen mit Thomas Thedes von den Freien Wählern bildet Sven Wojtkowiak eine neue Fraktion in der Stadtvertretung Norderstedt.

Norderstedt.  Eine überraschende Koalition sorgt in der Stadtvertretung Norderstedt für einen politischen Paukenschlag. Thomas Thedens, bislang einziger und damit fraktionsloser Stadtvertreter für die Freien Wähler, geht mit Stadtvertreter Sven Wojtkowiak zusammen. Gemeinsam bilden die beiden Politiker die neue Fraktion „Freie Wähler und Demokraten“.

Wie es die Statuten verlangen, haben Thedens und Wojtkowiak die Gründungs- und Beitrittserklärung zum Norderstedter Stadtparlament bei Stadtpräsidentin Kathrin Oehme und Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder abgegeben.

Sven Wojtkowiak hat gerade erst den FDP-Vorsitz verlassen

Wojtkowiak hatte erst letztes Wochenende seinen Rücktritt als Fraktionschef der FDP erklärt. Sein Zerwürfnis mit den liberalen Kollegen hatte in den letzten Wochen Schlagzeilen gemacht. Wojtkowiak hatte erklärt, er wolle sein Mandat weiter wahrnehmen und im „Sinne seiner Wähler“ weiterarbeiten.

Die Mehrheitsverhältnisse in der Norderstedter Stadtvertretung werden damit durcheinandergewirbelt. Bislang gab es mit der CDU, SPD, den Grünen, der Wählerliste Wir in Norderstedt (WiN), den Linken, der FDP und der AfD sieben Fraktionen. Mit der Gründung der achten Fraktion sind nun neue Mehrheiten denkbar. Als Fraktion haben die „Freien Wähler und Demokraten“ auch Anspruch darauf, ihre Mitglieder in den Fachausschüssen der Stadtvertretung mit Stimmrecht teilnehmen zu lassen.

Das ist besonders wichtig, weil hier die eigentlichen Entscheidungen zu den wichtigsten Themen der Stadtentwicklung, der Sozial- und Schulpolitik getroffen werden. Auch in den Aufsichtsräten der städtischen Gesellschaften muss die neue Fraktion ab sofort vertreten sein.

Es wird also für das politische Norderstedt interessant sein, wie sich die neue Fraktion positioniert. Wie Thedens dem Abendblatt mitteilt, sehen sich die beiden Fraktionskollegen in der bürgerlichen Mitte angesiedelt. „Thematisch wollen wir im Bildungsbereich, in der Sportförderung und in der energetischen Sanierung städtischer Gebäude einiges zusammen erreichen.“

Wojtkowiak betont, dass er als FDP-Chef mit Thedens bereits gut zusammengearbeitet habe. „Zum Beispiel beim Vorantreiben des Neubaus vom Schulzentrum Süd in Glashütte.“ Die internen Querelen in der FDP um die Person Wojtkowiak will Thedens nicht weiter kommentieren. „Ich halte mich da heraus. Dass andere Fraktionen in der Stadtvertretung bekundet hatten, nicht mehr mit Wojtkowiak arbeiten zu wollen, kann ich nicht verstehen. Ich habe ihn immer als einen angenehmen Gesprächspartner erlebt, mit dem ich viele inhaltliche Überschneidungen habe.“ Thedens ist davon überzeugt, mit ihm eine schlagkräftige Fraktionsarbeit leisten zu können. „Es ist wie im Sport: Ein Spieler funktioniert in einer Mannschaft nicht – und in einer anderen wird er plötzlich zum Leistungsträger. Es kommt immer auf das menschliche Umfeld an“, sagt Thedens.

Die Stadtvertretung sieht das Bündnis mit Argwohn

Bei den Politkollegen in der Norderstedter Stadtvertretung stößt das neue Zweierbündnis auf wenig Verständnis: „Wojtkowiaks Argument, er wolle dem Wählerwillen folgen, kann ich nicht nachvollziehen. Das Gegenteil ist doch der Fall“, sagt SPD-Fraktionschef Nicolai Steinhau-Kühl. Wojtkowiak habe kein Direktmandat errungen, sondern sei über das FDP-Ticket in die Stadtvertretung eingezogen. Da wäre es nur konsequent, wenn er sein Mandat zurückgeben würde und ein Liberaler nachrückt.

Das sieht auch CDU-Fraktionschef Peter Holle so. „Wojtkowiak hat bei der Kommunalwahl mal gerade 86 Stimmen über die FDP-Liste bekommen. Da ist es ja absurd, von Wählerwillen zu sprechen.“ Die neue Fraktion bedeutet zugleich Neuorganisation, da ihr ein Ausschusssitz zusteht. Nun müssen alle Fachausschüsse neu besetzt werden – zu Lasten der CDU, die einen Sitz verlieren würde und nicht mehr stärkste Fraktion wäre. Dann würden die Christdemokraten beantragen, die Zahl der Ausschussmitglieder von 14 auf 15 zu erhöhen, so dass die CDU wieder vier und damit die meisten Sitze hätte.

Marc Muckelberg (Grüne) und Miro Berbig (Linke) sprechen von schlechtem Stil. „Sie machen der Stadtvertretung nicht gerade Ehre“, sagt Muckelberg, „Thomas Thedens tut sich mit der neuen Fraktion keinen Gefallen“, sagt Berbig. Reimer Rathje, Fraktionschef der WiN, glaubt nicht, dass das Bündnis bis zum Ende der Wahlperiode hält, menschlich und inhaltlich seien die Unterschiede zu groß.

Die FDP sieht die neue Fraktion mit gemischten Gefühlen: „Wir sind froh, dass wir jetzt störungsfrei arbeiten können“, sagt die stellvertretende Fraktionschefin Gabriele Heyer. Die Liberalen werden genau beobachten, ob Wojtkowiak FDP-Positionen vertritt und damit den von ihm immer wieder zitierten Wählerwillen auch tatsächlich vertritt.

Schließlich stelle sich die Frage, ob ein Mann, der jetzt in einem anderen Fraktionszimmer sitzt, überhaupt in der FDP bleiben kann.

Für die AfD kommt der Zusammenschluss nicht überraschend: „Eine Fraktion bietet viel mehr Macht und Mitbestimmungsmöglichkeiten als zwei fraktionslose Einzelkämpfer“, sagt Fraktionschef Christian Waldheim.

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