Bad Segeberg. Das Surren von Nähmaschinen mischt sich mit fröhlichem Geplauder in einem Großraumbüro an der Kurhausstraße von Bad Segeberg. An einer langen Tafel aus Tischen sitzen 14 gut gelaunte Frauen zwischen bedruckten Stoffen, Klammern und Garnen, halb fertigen und gerade zugeschnittenen Arbeiten. Es ist Näh-Day für die Mitglieder des Vereins „Farbenfroh und buntgenäht“. Das Jahr über sitzen sie zu Hause an ihren Maschinen, um zu schneidern, aber einmal im Jahr kommen sie zusammen. Immer das Ziel: schwerstkranken Kindern und ihren Geschwistern die Welt mit Handgemachtem ein bisschen bunter, das Leben kleiner Patienten mit selbst entwickelten „Helferlein“ etwas leichter zu machen.
Franzi aus Jork in Niedersachsen, eigentlich Franziska Walberer, aber man duzt sich, schaut von halb fertigen Kirschkernkissen auf, kontrolliert kritisch die Nähte: „Ich habe immer etwas gesucht, bei dem ich nähen und mich gleichzeitig engagieren kann.“ Ute nickt: „Man kann sich ja nicht immer selbst benähen, und die Familie hat oft auch schon genug.“ So entstehen Kuscheltiere, Schals, Shirts, aber auch weiche Polster, die um Venenkatheter passen, oder Baby-Bodys mit speziellen Öffnungen für Sonden und Katheter. Alles bei hoher Temperatur waschbar und Hygienevorschriften angepasst. „Es macht einfach Spaß und kommt direkt bei den Kindern an“, sagt Simone Grundmann aus dem thüringischen Seelingstädt.
Die 50 Mitglieder als „Nähfrauen“ abzutun, das wird ihrem Engagement nicht gerecht. Sie leisten Charity mit Nadel und Faden. Von der partizipieren bisher die kleinen Patienten der Kinderonkologie und -kardiologie im Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) sowie die Jungen und Mädchen, die vom ambulanten Segeberger Kinderhospiz „Die Muschel“ betreut werden. Dessen Vereinsvorsitzende Kristin Best möchte den Kontakt zu weiteren Kliniken ausdehnen: „Wir würden gerne auch anderswo helfen.“
Im Jahr werden etwa 1000 Geschenke weitergegeben
Angefangen hat alles 2014 mit dem kranken Jonas aus Hamburg, sagt die 40 Jahre alte Segebergerin, die selbst seit 2016 dabei ist. Schmerzlich habe dessen Familie die Erfahrung machen müssen, wie die Krankheit des Jungen sie in dem Moment mit voller Wucht traf, als er vom bunten Kinderzimmer ins trotz aller Bemühungen sterile Krankenhaus kam. „Seine Mutter fing an, Dinge zu nähen, um ihm den Klinikaufenthalt etwas bunter zu machen“ , sagt die Unternehmerin und Chefin von über 80 Versicherungsexperten. Schließlich habe sie auch für andere Kinder genäht und fand Mitstreiterinnen.
Der „Muthase“, ein gehäkeltes Maskottchen mit kleinem Superman-Umhang, entstand hundertfach in ganz Deutschland, ferner Mützen, fröhliche bedruckte Überzieher für Infusionsbeutel und vieles mehr. Das Angebot wuchs, mittlerweile wird auch gehäkelt und gestickt. „Pro Jahr kommen wir locker auf 1000 Geschenke“, rechnet Kristin Best hoch. Das größte sei eine Patchworkdecke für das Spielzimmer der Kinderonkologie im UKE gewesen.
Die Frauen nutzen moderne Kommunikationswege, digitale Transformation haben sie lange hinter sich: Es gibt eine offizielle Facebook-Seite, und in einer zweiten, nicht öffentlichen, tauschen sie sich aus. Hier werden Schnittmuster entwickelt, standardisiert und weitergegeben, Aufgaben verteilt und Wichtiges besprochen. Kristin Best: „Sozusagen unser Vereinsheim.“ Und die Homepage des Vereins ist mit passwortgeschütztem Null-Euro-Bestellshop ausgestattet, der Eltern und Kindern das Aussuchen erleichtert.
„Ich bin davon überzeugt, dass das, was hier gemacht wird, die Welt ein bisschen besser macht“, sagt Xin Long. Der 38-Jährige ist Designer und Kommunikationsexperte. Die Farbenfroh-und-buntgenäht-Mitglieder haben nicht nur Herz und Verstand, sondern auch eine gute Strategie, darum unterstütze er den Verein mit seinem Wissen. Andere könnten es mit Spenden oder als Mitglieder zu tun, hofft Kristin Best.
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