Verkehr

Diesel-Autos im Kreis Segeberg droht die Stilllegung

| Lesedauer: 4 Minuten
Dorothea Benedikt
Ein Kfz-Meister lädt in einer Volkswagen-Werkstatt anlässlich der Rückrufaktion ein Software-Update für das Steuergerät der Motorelektronik auf einen Volkswagen Amarok

Ein Kfz-Meister lädt in einer Volkswagen-Werkstatt anlässlich der Rückrufaktion ein Software-Update für das Steuergerät der Motorelektronik auf einen Volkswagen Amarok

Foto: Julian Stratenschulte / dpa

Die Kreisverkehrsbehörde verfolgt Halter, die für ihr Fahrzeug das Software-Update verweigern

Kreis Segeberg. Andreas Burgmayer

Der Diesel-Abgasskandal könnte für 15 Fahrer von Autos mit Dieselmotor im Kreis Segeberg drastische Folgen haben: Die Verkehrsbehörde der Kreisverwaltung droht mit der Stilllegung der Fahrzeuge. Denn bislang haben diese 15 Halter ihre Diesel-Fahrzeuge noch nicht in die Vertragswerkstatt gefahren, um das geforderte Software-Update für die Motorsteuerung aufspielen zu lassen.

„In diesem Fall gibt es drei verschiedene Personengruppen“, sagt Sandra Müller, Sprecherin des Kreises. „Diejenigen, die von ihrem Fahrzeughersteller zu einer Nachrüstung aufgefordert worden sind, diejenigen, die dem nicht nachgekommen sind und deshalb erneut vom Kraftfahrtbundesamt aufgefordert worden sind, sowie diejenigen, die beide Aufforderungen ignoriert haben und deswegen nochmals von der Zulassungsstelle schriftlich aufgefordert worden sind.“

Betroffenen sind ausschließlich Halter von Fahrzeugen aus dem VW-Konzern – also auch Audi, Seat und Skoda. Schriftlich aufgefordert worden, die Nachrüstung ihres Diesels nachzuweisen, wurden vom Kreis Segeberg 30 Bürger. Elf davon haben den Nachweis erbracht. Drei Bürger haben gemeldet, dass sie den Diesel außer Betrieb gesetzt haben. In einem Fall ging ein Widerspruch gegen die Aufforderung zur Nachrüstung ein. „Es läuft eine zivilrechtliche Klage des Halters auf Schadenersatz gegen den Hersteller. Aufgrund der dafür nötigen Beweissicherung sei die Anordnung des Kraftfahrt-Bundesamtes unangebracht.“

15 Autobesitzer haben überhaupt nicht reagiert. Und für diese Gruppe läuft nun eine Frist. Müller: „Die Behörde wird den Haltern die zwangsweise Stilllegung androhen. Diese Zwangsmaßnahme kann abgewendet werden durch Vorlage des Nachweises über das Software-Update oder Außerbetriebsetzung des Fahrzeuges oder Nachweis über einen zeitnahen Termin zum Software-Update. Die nächsten Schritte werden nach Ablauf der Frist zum Update eingeleitet, also etwa acht Wochen nach Bekanntgabe der Aufforderung an den Halter.“

Sowohl der ADAC als auch die Verbraucherzentrale sagen, dass es sich um einen verpflichtenden Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes handelt. „Dem müssen die Verbraucher Folge leisten. Sonst droht die Stilllegung“, sagt Marion Jungbluth, Leiterin Mobilität und Reisen beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Sie kennt die Gründe, warum einige Autofahrer es ablehnen, in die Werkstatt zu fahren. Denn die Autohersteller, die zwar das Software-Update bezahlen, weigern sich, vollumfängliche Garantien zu übernehmen. „Wenn ein Fahrzeug nach Umrüstung Schäden aufweist, bleibt der Halter oft darauf sitzen“, sagt sie. Es gibt Berichte über Turbolader- und Filterschäden bei nachgerüsteten Dieseln.

Verbraucherschützer raten den Dieselbesitzern zu klagen

Damit nicht jeder Autobesitzer für sein Recht klagen muss, sei die neu geschaffene Musterfeststellungsklage ein geeignetes Mittel; denn ein Urteil ist bindend. Verbraucher müssen dann zwar ihre eigenen Schadenersatzansprüche einklagen, ein Richter entscheidet aber nur noch, wie hoch der Anspruch ist und nicht mehr, ob es überhaupt einen Anspruch auf Schadenersatz gibt. „Das große Pfund der Musterfeststellungsklage ist ihre verjährungshemmende Wirkung“, sagt die Verbraucherschützerin. Für Volkswagen-Kunden sei die ab dem 1. November geltende Musterfeststellungsklage noch rechtzeitig beschlossen worden. Denn Ende 2018 wäre ein Anspruch gegenüber dem Wolfsburger Autohersteller verjährt.

Der Sprecher des ADAC Schleswig-Holstein, Ulf Evert, sagt: „Die Hersteller haben auf Zeit gespielt.“ Er hofft, dass mit der Musterfeststellungsklage jetzt auch entschieden wird, ob betroffene Dieselfahrer für den Wertverlust ihres Autos entschädigt werden. „Viele Autofahrer glaubten, sich ein Öko-Auto gekauft zu haben und mussten ein Jahr später feststellen, dass es eine Dreckschleuder ist, die damit deutlich an Wert verloren hat“, sagt der ADAC-Sprecher. Auch er rät allen von der Zulassungsstelle angeschriebenen Autofahrern, das Software-Update machen zu lassen. In einem Test hat der Automobilclub den Verbrauch und die Motorleistung vor und nach dem Update untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass beides unverändert bleibt. Auch habe es bislang keine negativen Rückmeldungen an den ADAC von Autofahrern gegeben, die das Update haben machen lassen.

Die Berliner Kanzlei Gansel hingegen rät Dieselfahrern, das Update sein zu lassen. Die Rechtsanwälte vertreten nach eigenen Angaben etwa 15.000 Dieselbesitzer in Deutschland in einer Sammelklage gegen den Volkswagen-Konzern. Auf der Homepage der Kanzlei (gansel-rechtsanwaelte.de) können die Autofahrer auf einer interaktiven Deutschland-Karte recherchieren, in welchen Regionen Deutschlands die Fahrzeugbehörden die Stilllegungen besonders rigide durchsetzen. Die Anwälte raten, gleich zu handeln, wenn man ein Aufforderungsschreiben bekommt. Ein eingeleitetes Klageverfahren kann die Stilllegung zunächst verhindern – allerdings braucht die Einleitung des Klageverfahrens acht Wochen Vorlauf.

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Norderstedt