Norderstedt

Transportrad-Projekt gewinnt Fahrradpreis

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Andreas Burgmayer
Norderstedts SPD-Chefin Katrin Fedrowitz und Baudezernent Thomas Bosse testen im Juli 2016 eines der 24 Lastenfahrräder

Norderstedts SPD-Chefin Katrin Fedrowitz und Baudezernent Thomas Bosse testen im Juli 2016 eines der 24 Lastenfahrräder

Foto: Andreas Burgmayer / HA

Die Städte Norderstedt und Konstanz gewinnen die Auszeichnung mit der Idee, ihren Bürgern kostenlos Lastenfahrräder anzubieten.

Norderstedt.  Das Auto einfach mal stehen lassen und mit dem Transportrad zum Einkaufen fahren. In Norderstedt kann das jeder machen. 24 Lastenfahrräder stehen verteilt in der Stadt zur Ausleihe bereit – und das auch noch kostenlos in der ersten halben Stunde. Gemeinsam mit der Stadt Konstanz am Bodensee, die 26 Lastenräder anbietet, bildet Norderstedt die Transportrad-Initiative nachhaltiger Kommunen, kurz TINK.

Bei dem im Juli 2016 gestarteten und auf drei Jahre angelegten Pilotprojekt, zu 80 Prozent durch den Nationalen Radverkehrsplan des Verkehrsministeriums finanziert, geht es um nicht weniger als die Frage: Wie kann man es schaffen, den traditionellen Autofahrer aufs Transportrad zu bewegen?

Um das Projekt und sein Prinzip in die Köpfe der Menschen zu transportieren, kann eine nationale Auszeichnung nicht schaden. Insofern erhoffen sich alle Beteiligten einen Schub für ihr Projekt, weil TINK am Montag beim Nationalen Radverkehrskongress in Mannheim in der Kategorie Service mit dem Deutschen Fahrradpreis 2017 ausgezeichnet wurde.

Seit 17 Jahren wird der Preis verliehen, initiiert wurde er vom Verkehrsministerium und der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW (AGFS). Jedes Jahr wird auch eine prominente fahrradfreundliche Persönlichkeit gekürt – in diesem Jahr der „Prinzen“-Leadsänger Sebastian Krumbiegel. Neben einem Preisgeld von 3000 Euro nahmen die Vertreter der Städte Norderstedt und Konstanz auch jede Menge Lob und Aufmerksamkeit mit nach Hause. Laudator Norbert Barthle, Staatssekretär im Verkehrsministerium, sagte: „Das vollautomatische Verleihsystem ist unkompliziert, nutzerfreundlich und rund um die Uhr verfügbar. Das macht es auch so attraktiv. Es würde mich freuen, wenn das Pilotprojekt in Zukunft zahlreiche Nachahmer findet.“

Die schauen bereits aufmerksam nach Norderstedt. „Heidelberg hat sich bereits dafür entschieden, ein System nach Norderstedter Vorbild aufzubauen“, sagt Herbert Brüning, Leiter des Amtes Nachhaltiges Norderstedt (NaNo). Dort sollen Transporträder auch über die Stationen von Nextbike zur Verfügung gestellt werden. In Norderstedt sind es 14 Stationen. Aktuell haben sich etwa 300 Nutzer registriert, und laut Brüning haben 1000 Norderstedter ein Lastenrad schon mal ausprobiert. Das sind Zahlen, die ausbaufähig sind. Brüning sagt, es sei eben schwer, das Mobilitätsverhalten der Menschen zu verändern. „Wir müssen das Thema mehr in die Köpfe der Menschen bringen“, sagt Brüning. Einfach mal ausprobieren, sei die Devise. Der Deutsche Fahrradpreis hebe das TINK-Projekt in der Wahrnehmung auf eine neue Stufe – gut, um zum Bewusstsein der Menschen in der Autostadt Norderstedt vorzustoßen.

Und das bleibt Norderstedt – trotz aller vorbildlichen Bemühungen um den Radverkehr. Umweltministerin Barbara Hendricks zum Beispiel konnte es bei ihrem Besuch kürzlich in der Stadt kaum fassen, dass es für Fahrräder ein kostenpflichtiges Parkhaus gibt, unter dem Autos kostenfrei den ganzen Tag parken. Auch wenn das nicht mehr lange so sein wird (siehe Artikel links): „Das ist immer noch ein Signal, das viel über die Bedeutung des Autos gegenüber dem Rad in Norderstedt aussagt“, findet der Umweltpsychologe und Leiter des TINK-Projektes, Marco Walter aus Konstanz. In der Bodensee-Stadt seien hohe Parkgebühren die Haupt-Motivation für Bürger, das Lastenrad zu verwenden. „Das Rad auszuleihen, ist günstiger, als zu parken“, sagt Walter. Entsprechend hat Konstanz schon 1700 Nutzer, und der Löwenanteil der insgesamt 4505 Anmietungen und 9000 Nutzungsstunden bei TINK geht auf das Konto der Baden-Württemberger.

„Eben weil es in Norderstedt ein dickeres Brett zu bohren gilt, haben wir die Stadt für das Forschungsprojekt ausgesucht“, sagt Walter. Gerade in Norderstedt könne man lernen, was nötig ist, um ein echtes Umdenken bei den Menschen zu erreichen. In der Fahrrad-affinen Universitätsstadt Konstanz ist das dagegen vergleichsweise einfach.

Alle Informationen über TINK und eine Anleitung, wie man sich für die Nutzung der Räder anmelden kann, sind auf der Homepage des Projektes unter www.tink.bike zu finden.

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