Nehms. Etwa 300 Einsätze hatte Sylvio Fichtner im vergangenen Jahr - der Blackout passiert öfter als gedacht. In fast allen Fällen hatten Autofahrer ihren Wagen falsch betankt und Fichtner dann, nach dem ersten Schock, angerufen. Es sind meist Dieselfahrzeuge, die versehentlich mit Benzin betankt werden, denn bei Benzinern passt meist die Diesel-Zapfpistole nicht in den Tankstutzen. Fichtner lässt in solch einem Fall alles stehen und liegen, setzt sich in seinen speziell dafür ausgerüsteten Ford-Bus mit 250-Liter-Tank und eilt dem unglücklichen Falschtanker zu Hilfe. „Ich bin der Einzige im Norden, der das mobil machen darf“, sagt er.
Sylvio Fichtner lebt in der kleinen Gemeinde Nehms nördlich von Bad Segeberg. Sein Einsatzgebiet ist der ganze Norden: Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und vor allem Hamburg. Dort fahren besonders viele Autos.
Sylvio Fichtner arbeitete zuvor für den ADAC-Pannendienst
Angefangen hat er vor vier Jahren. Die Idee hatte sein Bruder, Kfz-Meister und Gutachter in Süddeutschland. „Das kann ich, das beherrsche ich“, dachte sich Sylvio Fichtner. Er hatte zuvor unter anderem für den ADAC-Pannendienst gearbeitet und wollte nun, nachdem er noch eine Ausbildung zum Speditionskaufmann abgeschlossen hatte, den besonderen Pannendienst für Falschtanker ausprobieren. Heute präsentiert er sich gemeinsam mit neun Kollegen auf einer bundesweiten Internetseite unter der Adresse www.falsch-tanken24.de/, Fichtners eigene Marke heißt Carsave24. Mittlerweile läuft alles professionell ab.
„Wir haben alle quasi blauäugig angefangen, zumindest transport- und gefahrgutrechtlich“, sagt Fichtner. Jetzt hat er die notwendigen Fortbildungen absolviert, darf ganz offiziell den Sprit vom betroffenen Fahrzeug in seinen Tank absaugen und zum vom zertifizierten Entsorger bereitgestellten Behälter transportieren. Sein Auto trägt die vorgeschriebene Kennzeichnung „A“ für Abfalltransport, der Tank im Kofferraum ist zugelassen, und der Entsorger holt den abgesaugten Kraftstoff ab. Alles muss genauestens dokumentiert werden.
Die Arbeit beginnt für Sylvio Fichtner oft nicht vor 17 Uhr. „Die Leute fahren einkaufen und dann noch zum Tanken, weil der Sprit billig ist. Ja, und dann folgt das böse Erwachen.“ Viele der Kunden fahren los, merken den Irrtum erst später. Andere rufen direkt von der Zapfsäule bei ihm an. Zuweilen sind es auch die Mitarbeiter der Tankstelle, die den Tipp mit dem mobilen Abpump-Service geben. Auch für Mitglieder eines Autoclubs mit Schutzbrief ist Fichtners Service in den meisten Fällen der günstigste. „Falschbetankung ist nicht abgedeckt“, sagt Fichtner. Zuweilen übernimmt der ADAC allerdings später die Rechnungen seiner Kunden.
Wenn Fichtner am Telefon seinen Preis nennt, schreckt das einige potenzielle Kunden zunächst ab. „Wenn die dann den Preis der Werkstatt hören, rufen sie oft wieder an“, sagt er. So hat er beispielsweise auch schon bei einem VW-Händler auf dem Parkplatz abgepumpt – nach Absprache mit den Verantwortlichen, versteht sich. Fichtner nimmt für seine Arbeit pauschal 180 Euro plus Fahrtkosten sowie einen weiteren Betrag, der sich nach der Kraftstoffmenge richtet. Bei sehr weiten Strecken oder zu besonderen Zeiten verlangt er zudem Zuschläge. Da die Werkstätten meist an die Werksvorgaben der Hersteller gebunden sind und diese eine Reinigung oder gar den Austausch des gesamten Kraftstoffsystems vorsehen, verlangen sie meist noch viel mehr.
Sylvio Fichtner kann zwar keine Garantie dafür geben, dass das Fahrzeug nach der Fahrt mit dem falschen Sprit noch reibungslos funktioniert. Das könne keiner, sagt der Mann aus Nehms. Aber bis jetzt seien nach dem Abpumpen alle Fahrzeuge problemlos weitergefahren. „Ein Auto kann mit Spänen im Kraftstoffsystem noch fahren“, sagt Fichtner, das habe er in der Praxis schon oft erlebt. Späne entstehen, wenn Benzin statt Diesel durch die Hochdruckpumpe läuft, diese also nicht mehr geschmiert wird.
ADAC fordert bessere Kennzeichnung
Aber nicht nur Falschtanker sind Kunden von Sylvio Fichtner. Als neulich zwei Autos in einem Hotel präsentiert werden sollten, wurde er jeweils zum Abpumpen von etwa fünf Liter Kraftstoff gerufen. Auch Speditionen, die Fahrzeuge transportieren, gehören zu seinen Kunden. Im Hamburger Hafen hatte Fichtner schon einige Einsätze, er pumpte beispielsweise 16 Porsche vor ihrer Verschiffung leer.
Im Hamburger Hafen 16 Porsche leer gepumpt
Sylvio Fichtner hat seine Berufung gefunden, sein Job macht ihm Spaß, der allerdings mittlerweile einen Nachteil hat: Aufgrund der vielen Aufträge ist er 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche in Bereitschaft, das Handy, auf das die kostenfreie Notrufnummer (0800/730 300 300) umgeleitet wird, ist immer in Reichweite. Urlaub gibt’s nicht. Als er mit seiner Frau einmal ein Wochenende im Hotel ausspannen wollte, klappte das bis zum Sonntag nach dem Frühstück. Fichtner: „Dann kamen drei Anrufe von Falschtankern.“ Und ob man es glaubt oder nicht, manche Kunden rufen mehrfach an. Blackouts sind eben nicht so selten, wie man denkt.
www.falsch-tanken24.de
Notruf 0800/730 300 300
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