Norderstedt. „We are the champions“ scheppert es aus einem kleinen Lautsprecher, den Marco Walter an seinem Transportrad hängen hat. Seiner Ankunft hinter dem Norderstedter Rathaus möchte der Konstanzer so einen entsprechend pathetischen Rahmen verleihen. Schließlich ist der Mann, zusammen mit seiner Kollegin Nathaly Niekisch, gerade 1036 Kilometer auf einem Leih-Transportrad durch ganz Deutschland geradelt. Vom badischen Konstanz am schönen Bodensee bis ins südholsteinische Norderstedt am nicht ganz so schönen Stadtparksee.
Viel gemeinsam haben die beiden Städte auch ansonsten nicht. Doch nun zumindest TINK. Das steht für die sperrige Umschreibung: Transportrad-Initiative nachhaltiger Kommunen. Gemeint ist damit ein 500.000-Euro-schweres Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Verkehr, das herausfinden möchte, wie man der Bevölkerung den Wechsel vom Auto aufs Transportrad plausibel machen könnte. Konstanz und Norderstedt sind die südlichen und nördlichen Pole der deutschen Transportrad-Welt und sollen als Modellstädte zwei Jahre lange Erfahrungen sammeln.
Die nerven- und muskelaufreibende Tour durch Deutschland haben der nationale TINK-Projektleiter Walter und seine Mitarbeiterin gemacht, um zu zeigen, dass Transportradfahren auch im Winter und auch auf sehr langen Strecken geht. Am 22. November starteten die beiden in Konstanz und fuhren über den Schwarzwald, Karlsruhe, Mannheim, Mainz, Wiesbaden, Marburg, Göttingen und Hannover bis Norderstedt, täglich zwischen 60 und 110 Kilometer, meistens auf Radwegen, manchmal auf Bundesstraßen. „Sehr ungemütlich, wenn Lastwagen vorbei wollten“, sagt Walter. Bis auf ein verklemmtes Hinterradschloss, das in Karlsruhe abgeflext werden musste, und einen Radcomputer, der den Geist aufgab, hielten die Räder. „Und sogar, ohne sie auch nur einmal aufpumpen zu müssen, sagt Nathaly Niekisch. Sinn der Tour war es auch, in allen Städten unterwegs mit Verantwortlichen über die Nutzung von Transporträdern zu sprechen. In Norderstedt sind derzeit 24 Räder an 14 Stationen von Nextbike ausleihbar. In Konstanz sind es 26 Räder an 13 Stationen. Während die Badener schon 4000 Nutzer und 8000 Stunden Ausleihe bilanzieren, sind es in Norderstedt seit dem Sommer nur 324 Nutzer und 150 Stunden. „Konstanz ist keine vergleichbare Stadt für Norderstedt“, sagt Walter. „17.000 Studenten, kaum Parkplätze und Parkgebühren von 2 Euro je Stunde.“ Während Autofahren in der Stadt am See mit dem mittelalterlichen Stadtkern keinen Sinn mache, sei der Leidensdruck für die Norderstedter offenbar noch nicht so groß, dass sie das Auto für die Einkäufe um die Ecke stehen lassen und stattdessen das Transportfahrrad nutzen. „Doch das wird schon noch werden“, sagt Walter, „in zwei Jahren wollen wir 1000 Nutzer erreichen.“ Dem Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote überreichte er zum Abschluss einen Präsentkorb mit badischen Leckereien.
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