Norderstedt. Sie heißen Bakfiets, kosten je nach Ausführung zwischen 2000 und 2400 Euro und sie sind ab sofort eine weitere Alternative zum Auto in Norderstedt. Bakfiets ist niederländisch für Lastenfahrrad. In Norderstedt stehen ab sofort 24 dieser zwei- oder dreirädrigen Räder für alle Bürger zur freien Verfügung bereit. An allen 14 nextbike-Stationen der Stadt können die Räder ausgeliehen werden – die erste halbe Stunde umsonst, danach für einen Euro die Stunde und für maximal 9 Euro den ganzen Tag.
Idee stammt von einem Umweltpsychologen
Norderstedt ist mit den 24 Rädern Teil des größten Mietsystems für Transport-Fahrräder in Deutschland. Am Freitag wird die Bodensee-Stadt Konstanz ebenfalls 24 Räder in den öffentlichen Verkehr schicken. Zwei Jahre lang wird wissenschaftlich untersucht, wie die Räder angenommen werden und wie das System verbessert werden kann, damit es immer mehr Menschen auf kurzen Distanzen im Stadtverkehr vom Auto aufs Rad bringen kann.
Die Idee zu TINK (Transportrad Initiative Nachhaltiger Kommunen) hatte der Konstanzer Umweltpsychologe Marco Walter. „Ich hatte schon länger an der Idee gebastelt, wie man Transportfahrräder möglichst unkompliziert und unmittelbar zum Bürger bringen kann.“ Als er mitbekam, dass seine Idee genau in die Strategie des Nationalen Radverkehrsplan des Bundesministeriums für Verkehr passte, bewarb Walter sich um die Förderung – und überzeugte. Mit Konstanz und Norderstedt fand er schnell zwei Kommunen, die Interesse an der Umsetzung hatten. 470.000 Euro gibt das Verkehrsministerium nun für das Projekt und die wissenschaftliche Begleitung aus. In Norderstedt kostet die Umsetzung 180.000 Euro, davon muss die Stadt lediglich 35.000 Euro selbst übernehmen. „Dafür gehören der Stadt am Ende aber auch alle 24 Räder. Da mussten wir den Kämmerer nicht lange überreden“, sagte der Erste Stadtrat Thomas Bosse am Dienstag bei der Präsentation der Räder am Rathaus.
Alternative Mobilität wird ernst genommen
Die alternative Mobilität werde im Rathaus wirklich ernst genommen, sagt Bosse. „Wir werden am Ende dieser zweijährigen Testphase wissen, wie wir die Menschen am besten dazu kriegen, ihre Hemmschwelle zu überschreiten und die Räder zu nutzen.“ In der Stadtplanung werde Mobilität immer gleich mitgedacht. Car-Sharing oder E-Bikes werden in Wohnprojekte integriert. „Warum zukünftig nicht auch die Transport-Fahrräder?“
Problemlos könne mit den Rädern der Wochenendeinkauf erledigt werden oder die Fahrt mit den Getränkekisten vom Händler nach Hause. „Am besten wäre es, wenn zukünftig Firmen die Räder für Mitarbeiter anbieten, oder Supermärkte für ihre Kunden“, sagte Bosse. Er machte damit klar, dass Norderstedt schon jetzt über die „Verstetigung“ des Projektes über die zweijährige Testphase hinaus nachdenke.
Gleichberechtigtes Teilen des Straßenraums
Marco Walter wird sich die Leihgewohnheiten der Norderstedter bei den Lastenfahrrädern genau anschauen. „Wir wollen herausfinden, wann genau sich die Leute für diese Alternative entscheiden“, sagt Walter. Schon in der Planung der TINK-Initiative hat Walter auf dem Auto-freien Straßenfest auf der Ulzburger Straße die Norderstedter Transportfahrräder Probe fahren lassen, außerdem hat er sie online befragt und 150 Teilnehmer erreicht. „Den befragten Norderstedtern waren die gute Qualität der Räder und eine unkomplizierte Ausleihe wichtig.“ Entsprechend habe man die stabilen Räder des niederländischen Herstellers Bakfiets gewählt, die eine Acht-Gang-Nabenschaltung sowie Rollenbremsen haben und sehr leichtgängig zu fahren seien. Es gibt 16 zwei- und acht dreirädrige Lastenräder. 80 Kilo kann man ins Zweirad packen, beim Dreirad passen sogar zwei Kinder bis sechs Jahre auf eine kleine Sitzbank mit Gurten.
Nextbike vermietet die Räder zu den üblichen Konditionen an seinen Stationen. „Mit so einem Rad werden sie auf der Straße vom Autofahrer ganz anders wahrgenommen. Der überlegt es sich zweimal, ob er den Radler schneidet“, sagt Marco Weigert, Vertriebsleiter von Nextbike. „Das trägt zu einem anderen Verständnis auf den Straßen bei, zu einem gleichberechtigten Teilen des Straßenraums.“
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