Mit einer Benefizaktion feiern die Händler das 30-jährige Bestehen des Wochenmarktes am Rathaus

Norderstedt. Bürgermeister Volker Schmidt (SPD) schnappte sich einen roten Kohl. Und Bürgervorsteher Herbert Paschen (CDU) einen weißen. Beide lachten in die Kamera von Abendblatt-Redakteur Herbert Lau. So war das damals, am 21. März 1985, beim ersten Trudenmarkt auf dem Norderstedter Rathausmarkt.

Am Donnerstag, fast auf den Tag genau 30 Jahre später, stehen der Eierhändler Harald Kolumbe, Stadtpräsidentin Kathrin Oehme, Norderstedts Erster Stadtrat Thomas Bosse und Moderator Carlo von Tiedemann mit Messern vor der Regentrude an einer exakt 2,32 Meter langen Sandtorte mit Kirschen und beginnen, die inoffiziell größte Torte dieser Art weltweit für den guten Zweck aufzuschneiden. Die Stücke finden unter den Kunden des Jubiläumsmarktes reißenden Absatz. Mindestens zwei Euro pro Stück müssen sie dabei für die Tagesaufenthaltsstätte für Obdachlose spenden (TAS). Die Markthändler feiern das 30-jährige Bestehen des Marktes mit sozialer Verantwortung.

Harald Kolumbe, gerade erst in den Ruhestand getretenes Urgestein der Norderstedter Wochenmärkte, kann sich noch gut daran erinnern, wie zäh die ersten Markttage vor dem damals neuen Norderstedter Rathaus waren. „Alles hier war neu, die Leute im Umfeld bauten ihre Existenz auf und mussten viel arbeiten. Da hatte keiner groß Zeit, morgens oder nachmittags auf den Markt zu gehen.“ Die Händler retteten sich mit Aktionen über Durststrecken hinweg. „Hier wurde unter anderem jede Woche ein Fahrrad verlost – nur um Leute auf den Markt zu locken“, sagt Kolumbe.

30 Jahre später ist der Wochenmarkt vor dem Rathaus, den heute keiner mehr Trudenmarkt nennt, der nach dem Markt am Herold-Center umsatzstärkste und beliebteste Markt der Stadt. 38 Händler sorgen immer donnerstags für Markttreiben. Mit Betonung auf immer – denn ausgefallen ist der Markt in den drei Jahrzehnten noch nie.

Stadtrat Bosse brachte es in seiner offiziellen Eröffnungsrede zum Jubiläumsmarkt auf den Punkt: „Der Markt ist viel mehr als ein Ort für Einkäufe. Hier wird getratscht, hier treffen sich die Menschen und tauschen sich aus. Und ich erwische hier jeden Donnerstag sogar Kollegen, mit denen ich eben ein paar Angelegenheiten aus dem Rathaus besprechen kann.“ Carlo von Tiedemann fand es schön, dass die Marktbeschicker zum Jubiläum an die denken, deren Leben schief verlaufen ist. „In der TAS triffst du Menschen, für die ist morgen noch weit weg, die leben im Heute und versuchen, über die Runden zu kommen.“ Tiedemann ist schon seit Jahren Schirmherr der Einrichtung im Rücken des Herold-Centers. Die Sandtorte von Bäcker Jens Muchow aus Todendorf war übrigens die tatsächlich längste ihrer Art in der Welt. „Allerdings inoffiziell. Ich habe die aus sieben einzelnen Torten zusammengesetzt. Demnächst werden wir im Herold-Center einen offiziellen Weltrekordversuch anmelden.“

Interessant im Rückblick sind auch immer die Preise für die frischen Waren in den Auslagen der Händler. So waren im März 1985 gerade frischer Spargel aus Spanien für 7,80 Mark das Pfund im Angebot. Und schon die ersten Erdbeeren für 3,60 Mark die 250-Gramm-Schale. Wer im März 2015 in die Auslagen schaut, findet bereits Spargel aus Deutschland für 11 Euro das Pfund. Und die Erdbeeren sind auch schon eingeflogen, 250 Gramm kosten 2,50 Euro.

Die Kunden konnten am Donnerstag an einer Schätzaktion teilnehmen. Mit Veilchen hatten die Händler eine Blumenwand gebaut. Wer die richtige Anzahl schätzte, konnte einen von drei Picknickkörben gewinnen. Die Blumen wurden am Abend für den Schnäppchenpreis von 30 Cent pro Stück verkauft. Den Erlös aus dem Verkauf spendeten die Markthändler ebenfalls: An die Norderstedter Tafel, die mit ihrer Essenausgabe die Flüchtlinge und sozial schwache Menschen unterstützt.