Rettungsassistent wegen Körperverletzung vor Gericht, weil er zwei Verletzten intravenös Medikamente verabreichte

Norderstedt. Stefan M. gibt sich vor dem Norderstedter Amtsgericht äußerst selbstbewusst und scheint sich im Recht zu fühlen, was sein Handeln als Rettungsassistent in zwei Fällen im Jahr 2012 angeht.

Unberechtigt hatte der Hamburger, der damals beim Norderstedter KBA beschäftigt war, in einem Notfall im April 2012 und in einem anderen im Juli 2012 Patienten intravenös Medikamente verabreicht. Die Anklage wirft dem 39-Jährigen deshalb gefährliche Körperverletzung vor.

Im ersten Fall im April 2012 war ein Rettungsteam in das Erlebnisbad Arriba gerufen worden, wo ein Mann einen Nasenbeinbruch erlitten hatte und über starke Schmerzen klagte. Kurzerhand legte der Angeklagte eine Kanüle und spritzte ein Schmerzmittel, ohne den Patienten, wie er in der Gerichtsverhandlung zugab, darüber aufzuklären, dass er eigentlich nicht dazu berechtigt war, das Mittel zu geben. Stefan M. hätte einen Notarzt rufen müssen, aber er habe gewusst, dass der zuständige Notarzt gerade unterwegs gewesen sei, versuchte sich der Angeklagte zu rechtfertigen.

Er sei davon ausgegangen, dass der Patient möglicherweise ein Schädel-Hirntrauma erlitten habe. Ein sofortiges Handeln sei aus seiner Sicht erforderlich gewesen – auch, um einer möglichen inneren Blutung oder einem Schock vorzubeugen.

Die Erklärung des Angeklagten ist widersprüchlich, denn er spricht selbst davon, dass er in der Nachbarschaft des Arriba innerhalb von fünf Minuten ein Krankenhaus hätte erreichen können und gibt zu, dass er nicht einmal versucht habe, einen Arzt anzufunken.

Es sei eine rechtliche Grauzone beklagt sich der Hamburger. Innerhalb von Sekunden habe er entscheiden müssen. Wenn er nichts getan hätte, wäre das unter Umständen ein verhängnisvoller Fehler gewesen und ihm als unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen worden. Er habe außerdem schon erlebt, dass ihn mehrere Krankenhäuser trotz eines Notfalls abgewiesen hätten und kostbare Zeit vergangen sei.

Der zweite Anklagevorwurf bezieht sich auf einen Einsatz im Juli 2012. Hierbei ging es um eine ältere Patientin mit Herzerkrankung, die über Übelkeit klagte und bei der der Angeklagte nach seiner Darstellung wegen des stark erhöhten Blutdrucks einen Herzinfarkt oder Schlaganfall befürchtete.

Er verabreichte deshalb blutdrucksenkende Mittel, zu deren Gabe eigentlich nur ein Arzt berechtigt war.

Auch in diesem Fall zeigte sich der Angeklagte von der Notwendigkeit und Richtigkeit seines Handelns überzeugt.

So schlecht kann es allerdings der Patientin nicht gegangen sein, da sie selbst in der Lage war, zum Krankenwagen zu gehen, wie Richter Jan Buchert der Akte entnimmt.

Der Jurist weist den Angeklagten energisch darauf hin, dass er nun mal kein Arzt sei und seine Kompetenzen überschritten habe, was der Angeklagte dann auch kleinlaut einräumt.

Andererseits gaben beide vom Angeklagten behandelten Patienten an, es sei ihnen nach der Behandlung besser gegangen.

Ob das Legen der Kanülen überhaupt eine Körperverletzung sei, könne man anzweifeln, erklärt der Richter, der schon im Vorwege eine Einstellung des Verfahrens erwogen hatte, aber am Widerstand der Staatsanwaltschaft gescheitert war.

Nun schlägt der Richter diese Verfahrenserledigung erneut vor, da der Angeklagte zudem wegen der Folgen seines Handelns bereits gestraft worden sei. Er sei nämlich Teil der Besatzung eines Rettungshubschraubers gewesen. Diese Tätigkeit, die für ihn einen Lebenstraum dargestellt habe, sei ihm weggenommen worden. Einkommenseinbußen waren die Folge. Mit geringerem Gehalt arbeitet der Angeklagte jetzt in Hamburg als Notfallsanitäter.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind alle Verfahrensbeteiligten damit einverstanden, dass das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße von 1200 Euro an den Norderstedter Verein „Lichtblick“ eingestellt wird.