Hellena Büttner und Peter Bause brachten „Jeder stirbt für sich allein“ ins Kulturwerk

Norderstedt . Frau Rosenthal lebt jetzt unterm Dach. Seit ihr Mann abgeholt wurde, traut sie sich nicht aus dem Haus. Mit ihrem gelben Judenstern. Und leiht sich Milch und Zucker eine Treppe tiefer in dem Berliner Mietshaus bei ihrer Nachbarin. Das ist Anna Quangel, und sie mag die Rosenthal.

Ihr Mann Otto findet Hitlers Judenverfolgung grundlos. Obwohl „die ja auch manchmal ...“ Doch Otto Quangel will nicht auffallen. Will seine Ruhe haben. Abends seine Pantoffeln ans Sofa und morgens seine Brotdose zur Arbeit. Bis die Katastrophe über ihn und seine Ehefrau hereinbricht. Bis die Karte kommt, dass Sohn Otto als Held auf dem Feld der Ehre im Krieg gegen Frankreich gefallen ist.

Ein sinnloser Tod. Ein Tod, der das Ehepaar sprach- und scheinbar gefühllos zurücklässt. Um sie dann zu ihrem ganz persönlichen Widerstand gegen das mörderische NS-Regime zu bringen. Sie verteilen Postkarten mit Protestsätzen gegen Hitler und seine Schergen.

Hellena Büttner und Peter Bause sind Anna und Otto Quangel in der Tragödie „Jeder stirbt für sich allein“ nach dem gleichnamigen Roman von Hans Fallada, die das Eurostudio Landgraf jetzt im Kulturwerk aufführte. Büttner und Bause bestanden in dem anspruchsvollen, Herz und Verstand fordernden Drama die mehr als zweistündige Präsenz auf der Bühne souverän, ein Schauspielpaar der besten Schule, das mit Aussprache und Spiel ein selten intensives Theatererlebnis bot.

Bause und Büttner legen in der Regie von Volkmar Kamm die Charaktere von Anna und Otto verhalten an, agieren wie Menschen, die sich beobachtet fühlen, eben aus der Schicht der kleinen Leute, über die Hans Fallada so große Romane schrieb.

Hellena Büttner fasziniert mit ihrer beredten Mimik, über die sie ihre Gefühle ausdrückt. Ihr fehlen die Worte, wenn es um den Tod ihres Sohnes geht. Ihr Schmerz mündet in Klagen gegen ihren Mann: „Du hast ihn nie geliebt!“ Die große Auseinandersetzung mit dem Nazi-Terror hat ihre Entsprechung im kleinen Ehezwist. Das bringen Büttner und Bause beklemmend auf die Bühne.

In ihre karge Welt der Genügsamkeit bricht Trudel, die Verlobte des toten Sohnes, immer wieder ein. Katrin Reuter spielt das mit Temperament und hoffnungsfroh als Lichtblick in dem finsteren Spiel. Bis zum bitteren Ende, bis sie in den Tod springt.

Nach zwei Jahren wird der Postkarten-Protest entdeckt. Das Ensemble strukturiert klar und bestechend simpel, wie auch in der Hierarchie der SS Einschüchterung und Willkür funktionierte. Volker Jeck legt den SS-Obergruppenführer als saufenden, radikalen, brutalen und pöbelnden Vorgesetzten an, der in der SS-Uniform so richtig zu Hochform aufläuft.

Er drangsaliert Gestapo-Kommissar Escherich, den Ralf Grobel je nach Szene als Großmaul und als winselnde Kreatur gibt, und Kripo-Assistent Schröder, den Mann mit dem Helfersyndrom, fein von Markus Angenvorth gespielt. Die Schleimer und ewigen Verräter geben Aki Tougiannidis als Barkhausen und Armin Jung als Kluge.

Und Frau Rosenthal? Nimmt sich das Leben. Ihr Hab und Gut reißen sich die Nazi-Nachbarn unter den Nagel.