„Wir waren einfach weg!“ Ein Lehrstück für Latte-macchiato-Mütter lieferte Marcel Kösling bei seiner Premiere zu seinem neuen Programm „Keine halben Sachen: Oder die Kunst, Frauen zu zersägen“ im Norderstedter Kulturwerk.

Norderstedt. Über seine Kindheit hatte er zwar schon in seinem vorigen Programm geplaudert, doch diesmal legte er nach und erzählte von einer fröhlichen Zeit ohne Handy, in der die Kinder ihre Verabredungen noch Auge in Auge trafen und von „3 bis 6“ einfach weg waren. Ein Albtraum für heutige Mütter, ein Paradies für Kinder.

„Wir waren nicht erreichbar, wir hatten kein Handy“, freut sich Kösling noch heute. Aus „6 wurde 7“, die Mütter riefen, doch die Kinder scherte das nicht. Sie spielten. Welch’ glückliche Kindheit.

Nun wird Marcel Kösling erwachsen, und sein neues Programm ist ausgereifter denn je zuvor. Er gewinnt an Profil, an unverfälschtem Ausdruck, und – kann sogar singen.

Beispielsweise von der Einsamkeit eines Künstlers auf Tour, beispielsweise seinen Nutella-Song, zu dem er sich auf der Ukulele begleitete, oder „Glauben Sie’s nicht“, in dem er auf die Versprechen und Worthülsen von Ärzten, Bankern, Politikern und Verkäufern abhob.

Ohnehin ist der neue Kösling politischer und kritischer. Er lästerte über die Elbphilharmonie ab, zog allerdings den wenig prickelnden Vergleich, dass mit den Milliarden für Hamburgs Prestige-Bau die Hamburger Kita-Kinder bis 2327 mit Mittagessen versorgt werden könnten.

Im Nutella-Song, dieser nussigen Anti-Depressiva-Creme, sang er gegen das Schlechte in der Welt von AfD über Isis und Pegida bis zu den Taliban. Damit legte er sich einen Running Gag an, denn die Liste ist wahrlich ausbaufähig und auch auf regionaler Basis nutzbar.

Der Bezug zum Regionalen indes fehlt in dem neuen Programm des geborenen Hamburgers, der in Itzstedt aufwuchs und in Norderstedt die ersten Lorbeeren als Zauberer und Comedian pflückte.

Nach wie vor aber begeistern die Zaubertricks des Charming-Boys. „Der Elefant hat leider die Grippe“, musste er zu Beginn bekennen, doch sein Seil-Klassiker brachte das Publikum im ausverkauften Kulturwerk immer noch zum Staunen.

Wie es sich für einen Comedian gehört, knüpfte er auch gleich Kontakt zu den Zuschauern und pickte sich Peter aus der ersten Reihe heraus. Der kam sogar aus Lüneburg. Ingrid aus einer der hinteren Reihen war dran als Assistentin für die Nagel-Zauber-Nummer, die Kösling mit steigernder Spannung aufbaute.

In pantomimische Gefilde driftete er mit seiner Nummer ab, die Ansprache eines Piloten im Flieger zu karikieren. Ausbaufähig, alles ausbaufähig! Sogar die Nummer, in der er sich selbst zersägte. Was für eine Jungfrau!