Brigitte Schippmann schließt ihr Geschäft „Basteln und Schenken“ an der Dorfstraße 26 in Tangstedt und will alles verkaufen. Auch die Regale.

Eine Frau stürmt die Ladenstufen hinauf, schwenkt zwei Tüten in der Hand und ruft: „Diese Brötchen musst du probieren, ich habe sie gerade frisch gebacken!“ Weg ist sie. „So geht das hier immer, ich bin Marmeladen- und Brötchen-Vorkosterin, berate die Schulkinder bei ihren Schreibsachen und deren Mütter beim Stricken, Sticken und Häkeln“, sagt Brigitte Schippmann.

Die temperamentvolle Tangstedterin sieht diese Nachfrage ihrer Talente nicht als Belastung. Auch nicht, dass sich alles in ihrem Laden „Basteln und Schenken“ an der Dorfstraße 26 in Tangstedt abspielt, und es dort manchmal zugeht wie im sprichwörtlichen Taubenschlag. „Basteln und Schenken“ ist der Klassiker eines Dorfladens und zugleich Probier- und Klönstube, Nachrichtenbörse und Beratungsstelle.

Doch leider nicht mehr lange. Brigitte Schippmann schließt ihren Laden zum 31. März. Dann ist Schluss mit Brötchen probieren, und auch die Kinder, die sie liebevoll Schippi nennen, müssen sich wieder an ihre Eltern und Lehrer halten. Wenn Brigitte Schippmann zum letzten Mal ihre Ladentür schließt, geht eine 18-jährige Tradition zu Ende, und die Gemeinde Tangstedt hat einen Mittel- und Treffpunkt weniger. Vorerst jedenfalls. Denn Brigitte Schippmann wäre nicht Schippmann, wenn sie ihren Laden schließen würde, ohne einen Nachfolger zu haben.

„Das ergab sich ganz plötzlich“, sagt die 62-Jährige, die ohnehin mit 63 Jahren in Rente gegangen wäre. „Ein junges Paar hier aus der Nachbarschaft will das Geschäft ab August weiterführen, und das ist für mich die Traum-Konstellation“, sagt Schippmann.

Und doch: Der Abschied schmerzt jetzt schon. „Besonders die Kinder werden mir fehlen“, sagt Schippmann und erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die schon als kleines Mädchen zu ihr kam und sich jetzt heftig beschwerte, als sie von der Schließung hörte: „Schippi, du nimmst mir meine Kindheit weg!“, hat sie erbost auf die Neuigkeit reagiert. „Da kommen mir dann doch die Tränen“, sagt Brigitte Schippmann. Oder der kleine Max, der in den Laden sauste und eine Zeichnung für Schippi auf den Ladentisch knallte. Die hängt jetzt an der Wand.

„Im Frühjahr bringen mir die Kinder sogar Blumen, und wenn ich frage, woher sie die denn haben, sagen sie, die lagen da so herum neben der Straße“, sagt Schippmann und lächelt wehmütig. Andere Kinder haben ihr kleine Geschichten und Gedichte geschrieben, sie hat sie alle in Alben gesammelt, ein Fundus liebevoller Erinnerungen.

Derweil kommt eine Kundin und fragt nach einer Merktafel, ein paar Kreiden und einem Fass Tinte. Sie will es verschenken, und natürlich packt Brigitte Schippmann alles liebevoll in Papier, mit Schleife drumherum. Service ist Trumpf. Hätte die Kundin die Geschenke per Telefon bestellt, hätte Schippmann sie ihr an die Haustür gebracht. „Das ist doch selbstverständlich, dass man jemanden etwas mitbringt, damit der nicht extra aus dem Haus muss, vor allem, wenn man nicht mehr so richtig beweglich ist wie viele alte Tangstedter“, sagt Schippmann.

Ob es diesen Service in Zukunft auch geben wird? „Das kann ich mir gut vorstellen, aber der Laden selbst wird wohl anders aussehen. Es ist auch Zeit für Neues, und deshalb muss ich hier alles verkaufen“, sagt Brigitte Schippmann. Auch die Regale, die Tresen, der Schreibtisch, die gesamte Ware von Anspitzer und Abziehbildern über Buntstifte und Bastel-Utensilien, Kaffeetassen und Kerzen bis zu Teddybären, Vasen, Wolle und Zuckerpott – alles muss raus. Auch die restlichen Weihnachts-Dekorationen aus dem Hinterzimmer. Und die bunten Römer. Bis zur alten Kasse. „In der liegt sogar noch ein Pfennig“, sagt Brigitte Schippmann.

„In einem Laden auf dem Dorf muss ich natürlich ganz anders sortiert sein als in der Stadt“, sagt Schippmann. Statt von einer einzigen Warenart eine große Auswahl gibt es bei ihr viele Warenarten für jeden Geschmack. Da darf nach Herzenslust gestöbert und gekramt werden, bis das passende Geschenk für Tante Lotti gefunden ist. Eine Sammeltasse vielleicht? Oder Entenriege auf Schlüsselbrett? Oder die beiden schrägen Figuren, die auf Motorrädern durchs Regal brettern?

Obendrein verkauft sie Eintrittskarten für Veranstaltungen, nimmt Buchungen für Seminare an, hat eine Reinigungs- und Schuhraparatur-Annahmestelle: „Da bringe ich Wäsche und Schuhe auch schon mal ins Haus.“

Doch ein Stück weit bleibt Brigitte Schippmann den Tangstedtern erhalten. Denn sie hat eine unbändige Freude daran, Menschen zu beraten, sie schiebt gern ungewöhnliche Aktionen an, mischt mit und auch schon mal auf, wenn ihr etwas oder jemand quer kommt. So wie Leute, die gegen Asylbewerber und angeblicher Überfremdung deutscher Lande auf die Straße gehen. „Die dürfen nicht zu mir kommen, denen erzähle ich was, schließlich waren viele selbst einmal Flüchtlinge“, sagt die ehemalige Gemeindevertreterin.

Brigitte Schippmann geht den anderen Weg und hilft als eine Art Flüchtlingsbeauftragte der Gemeinde den Menschen aus dem Jemen, aus Mazedonien, Tschetschenien und Serbien, die in den DRK-Schlichtwohnungen am Dorfeingang wohnen. Sie hilft auch bei Behördengängen, den Kindern in den Schulen und gibt auch Nachhilfe-Unterricht. Sie arbeitet ehrenamtlich als zweite Vorsitzende des DRK und im Vorstand der Bürgerstiftung.

„Ich bekomme im alten Rathaus ein Büro als Flüchtlings-Anlaufstelle und für die Bürgerstiftung“, sagt Schippmann. Die Stiftung wird gerade aufgebaut und will bedürftige Familien und hochbegabte Kinder unterstützen.

Wenn „Basteln und Schenken“ auch schließt, Brigitte Schippmann bleibt. Und wie!