Die Deutsche Annington will in Norderstedt 75 Wohnungen energetisch sanieren. Der Mieterverein ist alarmiert

Norderstedt. Wenn Vermieter die „energetische Sanierung“ ankündigen, löst das mittlerweile bei den meisten Bewohnern von bezahlbarem Wohnraum Existenzängste aus. Denn in vielen deutschen Städten wurden auf diesem Ticket ganze Quartiere umgekrempelt und Bestandsmieter über im Anschluss exorbitant steigende Mieten verdrängt. Möglich macht das der Gesetzgeber, der den Wohnungsbau-Unternehmen gestattet, maximal elf Prozent der Sanierungskosten direkt auf die Mieten umzulegen. Anders als dies bei Reparaturarbeiten an kaputten Dächern oder Rissen in der Wand ist, die der Vermieter selbst bezahlen muss.

Norderstedt ist bei dieser Entwicklung keine Ausnahme. Die Deutsche Annington, laut Selbstbeschreibung mit 211.000 eigenen und verwalteten Wohnungen sowie rund 3400 Mitarbeitern das führende deutsche Wohnungsunternehmen, hat die energetische Sanierung von 75 ihrer 220 Wohnungen in Norderstedt angekündigt. Von März an soll ein in die Jahre gekommener Wohnblock an der Mittelstraße in Glashütte mit Investitionen von insgesamt 1,5 Millionen Euro auf den neuesten Stand gebracht werden.

4500 Quadratmeter Wohnfläche umfasst das neunstöckige Gebäude aus dem Jahr 1965. An der Fassade soll nun ein Wärmedämmverbundsystem verbaut werden. Zusätzlich werden neue Geschossdeckendämmungen eingezogen und Energie einsparende Fenster eingebaut. Darüber hinaus will die Deutsche Annington die Heizungen und Treppenhäuser modernisieren.

Beim Norderstedter Mieterverein schrillen bei dieser Ankündigung sämtliche Alarmglocken. „Die Deutsche Annington ist für ihr schlimmes Vorgehen bei der Sanierung des Wohnungsbestandes berüchtigt“, sagt Kurt Plagemann, Geschäftsführer des Vereins. Laut Recherchen des „Stern“ ist die Rendite-Steigerung über die energetische Sanierung Teil des Geschäftsmodells bei der Deutschen Annington. Dem Magazin wurden Mitte 2014 interne Papiere zugespielt, die belegen, dass das Unternehmen in den nächsten Jahren die Hälfte seines Wohnungsbestandes in Deutschland mit 800.000 Millionen Euro sanieren will und dabei mit sieben Prozent Rendite für jeden ausgegebenen Euro kalkuliere. Das MDax-Unternehmen betreibe also Gewinnmaximierung auf dem Rücken der Mieter, die im Durchschnitt nach der Modernisierung 22 Prozent mehr für ihre Bleibe zahlen mussten.

Was diese Befürchtungen angeht, so gibt die Deutsche Annington offiziell Entwarnung. „Wir bewirtschaften unsere Bestände langfristig und wollen ihren Wert erhalten. Deshalb investieren wir regelmäßig in unsere Quartiere – weit über dem Branchendurchschnitt. Die Vorteile für unsere Mieter liegen auf der Hand: Wir senken die Heizkosten und erhöhen die Wohnqualität“, sagt Matthias Stock, der als Geschäftsführer die Bestände in Norderstedt verantwortet. Nach der Modernisierung würden die Mieter 30 Prozent des Energieverbrauchs einsparen.

Außerdem gibt Stock den Norderstedter Mietern ein Versprechen „Es ist auch unsere Verantwortung, dass Wohnen heute und morgen bezahlbar ist. Deshalb haben wir effiziente Prozesse etabliert, um effektiv und kostengünstig zu modernisieren. Dadurch können unsere Mieter auch nach der Sanierung in ihrem Zuhause wohnen bleiben – unabhängig von der Größe ihres Geldbeutels.“ Man wolle in Norderstedt nicht die vollen elf Prozent der Kosten auf die Mieten umlegen. „Was nützt uns eine höhere Miete, wenn die Wohnung anschließend leer steht?“, sagt Stock.

Laut Annington-Sprecher Philipp Schmitz-Waters würden die Mieten an der Mittelstraße bei etwa 7,20 Euro pro Quadratmeter liegen. Die durchschnittliche Erhöhung liegt bei 1,40 Euro pro Quadratmeter. Wenn eine 80-Quadratmeter-Wohnung bisher also 576 Euro gekostet hat, würde sie nach der Modernisierung 688 Euro kosten.

Kurt Plagemann vom Mieterverein hat bereits Kontakt zu den Vereinsmitgliedern, die unter den Mietern an der Mittelstraße sind. „Wir sind noch ganz am Anfang der Entwicklung. Keiner kann abschätzen, wie viel die Modernisierung am Ende für jeden Einzelnen auf der Monatsabrechnungen ausmachen wird.“ Denn es müsse am Ende haarklein geprüft werden, welche Baumaßnahmen als energetische Sanierung überhaupt umlagefähig sind und welche nicht. Genau hier komme es immer wieder zu unrechtmäßigen Mieterhöhungen, so Plagemann. Deutsche Mietervereine haben deswegen gegen die Deutsche Annington bereits erfolgreich geklagt.

Gegen einen anderen Vermieter und dessen Mieterhöhungen nach Modernisierung klagt derzeit auch der Norderstedter Mieterverein. Er vertritt Mieter der Wohnanlage am Fasanenweg (wir berichteten), die von der Grundstücksverwaltungs- und Projektentwicklungsfirma Bruhns aus Hamburg umgebaut wurde. Plagemann ist zuversichtlich, alle Prozesse aufgrund unzulässiger Umlagen von Modernisierungskosten zu gewinnen.