Leiter des Jugendamts erläuterte, welche Konsequenzen aus dem Skandal um das unversorgte Baby gezogen werden

Kreis Segeberg. 40 Stunden hat ein Baby ohne Nahrung allein im Gitterbett gelegen – obwohl eine Nachbarin das Jugendamt auf das schreiende Baby aufmerksam machte. Mittlerweile geht es dem Kind wieder gut, der Fall vom November ist nach dem Kellerkind-Skandal aber schon das zweite Versagen des Segeberger Jugendamtes in kurzer Zeit. Deswegen musste sich nun Manfred Stankat, Leiter des Jugendamtes, den drängenden Fragen des Jugendhilfeausschusses des Kreises Segeberg stellen – er räumte erneut schwere Fehler seiner Mitarbeiter ein. Sie hätten die Situation schlicht falsch eingeschätzt, sagte Stankat dem Hamburger Abendblatt. Die Abläufe im Jugendamt werden nun überprüft, zusätzlich soll es eine Schulung für die Mitarbeiter geben.

Wie berichtet, hatte eine 30-jährige, alleinerziehende Mutter aus der Gemeinde Klein-Niendorf am 18. November des vergangenen Jahres ihre Tochter in ein Gitterbett gelegt. Danach war sie nach Hamburg-St. Pauli aufgebrochen, um Freunde zu treffen. Das Kind weinte sich hungrig und durstig in den Schlaf. Eine Nachbarin hörte es über Stunden immer wieder schreien und weinen.

Am Mittwoch rief die Nachbarin im Amt an und meldete ihre Eindrücke. Der Sozialarbeiter aber entschied allein, dass kein Notfall vorlag – „eine erste schwere Fehleinschätzung“, wie Stankat zugibt. Am Donnerstag rief die Nachbarin erneut an. Zwei Jugendamtsmitarbeiter fuhren gegen 12.30 Uhr nach Klein-Niendorf. Sie klingelten, hörten den Ton der Klingel durch ein geöffnetes Fenster, aber kein Weinen und gingen wieder. Auch das war falsch, wie Stankat zugibt, stattdessen hätten sie Kontakt zur Nachbarin aufnehmen müssen. „Allerdings sind meine Mitarbeiter nicht davon ausgegangen, dass es eine Notlage gibt. Sonst wäre es ihre verdammte Pflicht gewesen, die Rettungskräfte zu verständigen.“

Gegen 15.30 Uhr hatte die Nachbarin genug von der Untätigkeit des Jugendamtes. Sie lief zum Polizeirevier um die Ecke, und plötzlich ging alles ganz schnell. Die Feuerwehr hebelte ein Fenster auf und befreite das dehydrierte Kind. Es war die Rettung vor dem Tod, denn von der Mutter fehlte immer noch jede Spur. Mittlerweile lebt das Kind bei einer Pflegefamilie, genauere Angaben möchte das Jugendamt nicht machen. Auch nicht darüber, ob sich Mutter und Kind noch sehen dürfen. „Generell ist das Jugendamt aber nicht dafür da, Eltern von ihren Kindern zu trennen“, sagt Stankat. Diese Maxime gelte auch in diesem Fall.

Von den Mitarbeitern des Jugendamtes ist keiner entlassen worden

Nach dem Vorfall habe es auch arbeitsrechtliche Konsequenzen gegeben, sagte Stankat. Entlassen worden seien die betreffenden Mitarbeiter aber nicht. Man habe stattdessen merklich auf die Mitarbeiter eingewirkt, sagt der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, Gerd-Rainer Busch (SPD). Es gehe dabei aber nicht um Bestrafung, sondern um Hilfe. Unklar ist weiterhin auch, ob die Mutter auf St. Pauli Opfer eines Gewaltverbrechens geworden ist. Das hatte sie zunächst behauptet und so begründet, dass sie ihr Kind hilflos zurückgelassen hatte.

Als erste Konsequenz erließ Stankat sofort verschärfte Dienstanordnungen. So will er verhindern, dass Anrufe von besorgten Bürgern nicht ernst genommen werden. Konkret habe das Problem darin bestanden, dass der Mitarbeiter der Anruferin nicht die richtigen Fragen gestellt habe. So sei die Warnung diffus geblieben. Zusätzlich hat Stankat deshalb nun bei der Polizei angefragt. Ein erfahrener Polizist soll die Mitarbeiter des Jugendamtes schulen.

Empört zeigt sich Stankat über Medienberichte, wonach er der Nachbarin eine Mitschuld an dem Drama gegeben habe. „Das ist völliger Blödsinn. Wir sind der Frau unendlich dankbar. Das haben wir ihr auch persönlich gesagt“, betont der Leiter des Jugendamtes.