Eine Glosse von Manfred Scholz

Zu Besuch in einem Dörflein im Umland. Was für ein langweiliges Nest, war mein erster Eindruck: Im deprimierenden Wintergrau sah es austauschbar und trist aus. Was das Örtchen optisch nicht hergab, machten unsere Gastgeber zum Glück doppelt wett. Fröhlich schwärmten sie in höchsten Tönen von ihrem neuen Wohnort. Ich meinte, meinen Ohren nicht zu trauen! So etwas heißt Lokalstolz. Oder Heimatliebe.

Dieses warme Gefühl vermisse ich. Eigentlich schade. Heimat ist doch etwas Schönes! Sich zu Hause fühlen, emotional ankommen und geografische Wurzeln schlagen – so etwas ist überall möglich. Ich habe schon in verschiedenen Orten gelebt. Anfangs war immer alles unbekannt. Dank neuer Bekanntschaften lebte ich mich überall ein. War ich vertraut, bin ich weitergezogen. So etwas wie ein Heimatgefühl kam nie auf.

Dafür kam ich herum und weiß, wie bunt die Welt woanders ist – und anders. Was soll man deshalb über Menschen denken, die ihr ganzes Leben nie ihren vertrauten Geburtsort verlassen haben? Da ist die Gefahr groß, dass sie ihre Heimatstadt für den Mittelpunkt der Welt halten – mangels Weitsicht. Sie vergessen, dass die drängenden Probleme vor Ort schon im Nachbarort keinen mehr interessieren. Für diese Menschen endet der Horizont am Ortsausgangsschild. Was für eine gruselige Vorstellung! Aber auch hier gilt die Lebensweisheit: Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters.