Unterkunft kann vermutlich nicht im März bezogen werden. Boostedts Bürgermeister fordert Stellvertreterin zum Rücktritt auf

Boostedt. Die Eröffnung der Flüchtlingsunterkunft in Boostedt muss wohl erneut verschoben werden. Ursprünglich sollte die Erstaufnahmestelle am 1. Januar eröffnet werden, nun gerät auch der Termin im März in Gefahr. Grund dafür ist Personalmangel. Das DRK soll wie in Neumünster auch in Boostedt die Leitung der Unterkunft übernehmen, findet aber keine geeigneten Mitarbeiter. Gesucht werden vornehmlich Sozialpädagogen. Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt stellt deshalb den Eröffnungstermin im März erstmals öffentlich infrage und bittet Fachkräfte, sich zu bewerben. Angelika Beer, Landtagsabgeordnete der Piraten und Boostedterin, geht nach dem Bericht des Innenministers im Ausschuss sogar von einer Eröffnung nicht vor dem Sommer aus.

Schlecht ist das vor allem für die Situation der geflüchteten Menschen in der völlig überfüllten Unterkunft in Neumünster. Dort leben mittlerweile bereits bis zu 900 Menschen auf engem Raum. Unklar ist auch, ob die beiden Erstaufnahmestellen für Flüchtlinge in Boostedt und Neumünster künftig genügend Platz bieten werden. „Es ist vorstellbar, dass die mittlerweile 800 Plätze in Neumünster und die zusätzlichen 500 in Boostedt nicht ausreichen könnten“, sagt der Sprecher des Innenministeriums. Das Land sehe sich deshalb nach weiteren möglichen Unterbringungsmöglichkeiten um. So wird schon seit Monaten über eine mögliche Erstaufnahmeunterkunft für Flüchtlinge in einer Kaserne in Lütjenburg (Kreis Plön) nachgedacht.

Boostedts Bürgermeister fordert Rücktritt seiner Stellvertreterin

Auch in Boostedt selbst gibt es ordentlich Zoff wegen der geplanten Unterkunft. Bürgermeister Hartmut König (CDU) hat seine zweite Stellvertreterin Marina Weber (FWB) zum Rücktritt aufgefordert. „Es wäre sinnvoll, wenn sie Platz macht“, sagte er dem Abendblatt. Grund für seine Forderung seien Webers Indiskretionen gegenüber der Presse. Marina Weber hingegen sieht keinen Grund zurückzutreten. „Ich denke gar nicht daran“, sagt sie.

Nach einer Einwohnerversammlung in Boostedt hatte der Bürgermeister nach eigenen Angaben subtile Drohungen per Telefon und Brief erhalten. Weber berichtet zudem, sie sei mit einem Auto angefahren worden, außerdem habe jemand das Wort „Schlampe“ in ihr Beet geritzt. Außerdem war Weber im Internet auf ihrer Facebook-Seite verbal von NPD-Sympathisanten angegangen worden. Gegen das Gesetz verstießen diese Anfeindungen aber nicht. Trotzdem ermittelt zurzeit der Staatsschutz in Boostedt, zu den Ermittlungen will sich der Staatsanwalt bislang nicht äußern.

Konkret kritisiert der Bürgermeister zwei Dinge: Im Dezember hatte Weber dem Abendblatt bestätigt, dass sie angefahren worden sei und der Staatsschutz in Boostedt ermittele. Auch König bestätigte daraufhin auf Nachfrage die Drohungen. Es sei aber nicht offen mit Gewaltanwendung gedroht worden. „Ich halte es für einen Fehler, dass Frau Weber die Staatsschutzermittlungen öffentlich gemacht hat“, sagt König jetzt. „Ich will vermeiden, dass ein falscher Eindruck von Boostedt vermittelt wird.“ Ein rechtsradikaler Hintergrund sei nicht bewiesen. Außerdem habe Weber im Januar die Presse darüber informiert, dass König und die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD mit ihr über einen möglichen Rücktritt gesprochen hatten.

Boostedts Bürger diskutieren über die Aussagen von Weber

Hinter den Kulissen ist in Boostedt seit den Äußerungen Webers eine Debatte entbrannt. Einige Boostedter äußern hinter vorgehaltener Hand Zweifel an der Version von Weber. Marina Weber kennt die Gerüchte ebenfalls – und weist alle Anschuldigungen empört von sich. Sie habe die Wahrheit gesagt. Hinter den Forderungen vermutet sie eine politische Schmutzkampagne. Im Falle ihres Rücktritts könnte die CDU ihren Posten selbst besetzen.

Von dem Vorgehen des Bürgermeisters ist Marina Weber enttäuscht. Erfahren habe sie von den Rücktrittsforderungen aus der Zeitung. „Das ist absolut schlechter Stil“, sagte sie dem Abendblatt. König möchte sich zu den konkreten Vorwürfe nicht äußern. Das Gespräch mit Frau Weber werde er nachholen. Die Frage sei aber, „inwiefern ich mit Frau Weber sprechen kann, ohne dass es am nächsten Tag in der Zeitung steht“.