Eine Glosse von Rainer Burmeister

„Schön’ Tach noch”, flötet die Kassiererin im Supermarkt, nachdem ich bezahlt und das Wechselgeld entgegengenommen habe. „Schön’ Tach noch”, heißt es auch im Bäckerladen oder an der Tankstellenkasse. Dass es draußen schüttet und ein Orkan tobt, spielt dabei keine Rolle. Denn das Personal wünscht fremdbestimmt. Das merkt man daran, dass die abgenutzte Verabschiedungsfloskel meistens so richtig schön unbeteiligt runtergeleiert wird (Ausnahmen bestätigen die Regel). Der Marktleiter oder sonst ein Oberindianer hat’s angeordnet, und so wird dann Hunderte Male am Tag „Schön’ Tach” gewünscht.

Fremdbestimmung breitet sich immer weiter aus. Wenn im Kreis Segeberg auch bei eher frühlingshaften Temperaturen in Tausenden Haushalten das deftige Wintergericht Grünkohl mit Kassler und Kochwurst aufgetischt wird, ist das ein klarer Fall von Fremdbestimmung. Mehrere Frischemärkte haben sich verbündet und die Zutaten für die schwerwiegende Mahlzeit, lecker fotografiert in ihren Prospekten, als Angebotsware präsentiert. Dass dann auch noch für 4,99 Euro ein Verdauungsschnaps zu finden ist, kann kein Zufall sein.

Fremdbestimmt wird vor allem in der Modebranche der Kurs vorgegeben. Trendsetter (das ist keine Hunderasse!) sind die Designer. Die schicken ihre superschmalen Supermodels beiderlei Geschlechts auf den Laufsteg, neudeutsch: Catwalk, und man oder frau wundern sich später, dass sie in den Klamotten wie die Wurst in der Pelle aussehen. Alles für die Katz.

Auch in der Brillenmode wird fremdbestimmt. Spätestens seit 2001 geraten die Sehhilfen immer wuchtiger und klotziger. Bald sind wir wieder da, wo die singende Brillenschlange Nana Mouskouri 1961 begann, weiße Rosen aus Athen zu liefern.

Hier sollten eigentlich noch weitere Beispiele von Fremdbestimmung folgen. Doch fremdbestimmt ist auch die Textlänge dieser Betrachtung. Schön’ Tach noch!