Eine Glosse von Lars Hansen

Ich ziehe den Strafzettel unter meinem Scheibenwischer hervor und lese ihn kurz durch, obwohl ja doch immer das gleiche drauf steht. Dann fällt mein Blick auf das Wahlplakat, das neben meinem Wagen an den Laternenpfahl getüdelt ist. Der lächelnde Kandidat wirbt um mein Vertrauen, indem er darauf hinweist, dass er Polizeibeamter ist. Ich blicke auf den Strafzettel, auf den Lächelpolizisten und in mein Spiegelbild in der Schaufensterscheibe gegenüber. Das Lächeln hat nicht angesteckt.

Ein paar Meter weiter belegt der antik-englische Werbebus der Polizistenpartei drei Parkplätze und hätte mindestens zwei Strafzettel verdient, weil er nur einen Parkschein im Fenster hat, aber was soll’s: Ich darf gerade nicht über anderer Leute Parkverhalten meckern und außerdem ist Wahlkampf. Die ganze Stadt ist zugestellt mit Plakaten. Und seit man Personen einzeln wählen kann, werden es immer mehr. Hunderte von Kandidatengesichtern lächeln von den Plakaten und sagen nichts. Natürlich nicht, sie sind aus Pappe. Aber es steht auch nicht dabei, warum ich ausgerechnet diesen Politiker ankreuzen soll und nicht den vom nächsten Laternenpfahl.

Warum soll ich zum Beispiel diesen Mann wählen, der wie ein abgemagerter Heinz Erhardt wirkt? Warum nicht seinen Parteifreund, der seine Vornamensliste aufs Plakat bringen musste?

Oder die andere Partei, die einfach dem Bürgermeister den Kopf abschneidet und trotzdem will, dass man ihn wählt. Ich weiß, warum ich wen wähle. Aber die Plakate haben mir dabei nicht geholfen. Sie erinnern mich höchstens daran, dass ich einen Strafzettel in der Hand habe. Ich falte mir daraus eine Narrenkappe und fahre von dannen.