Der 72 Jahre alte Heppo Steel gibt am Wochenende seinen 30. Oldie-Frühschoppen in der Moorbek-Passage

Norderstedt. Gibt es im Rock ’n‘ Roll eine Altersgrenze? Chuck Berry ist 88 Jahre alt und tourt immer noch. Leicht desorientiert wirkt er auf der Bühne, wenn man sich die neuesten Aufnahmen im Internet betrachtet. Die Mitmusiker müssen ihm ins Ohr brüllen, was gerade gespielt wird. Jerry Lee Lewis lässt sein Doppelkinn im Takt von „Great Balls Of Fire“ schwabbeln. 79 – immerhin. Geht gerade noch. Aber davon ist Heppo noch Meilen entfernt: 72 – ja und? Drahtig und gertenschlank ist der Rock-’n‘-Roll-Sänger aus Norderstedt. Dynamisch wie eh und je wirkt er auf der Bühne. Da geht noch was, aber hallo!

Im Laufe seines Musikerlebens ist er eine Institution geworden. Zumindest in Norderstedt und Umgebung. Am Sonntag, 8. Februar, gibt er seinen 30. Oldie-Frühschoppen in der Moorbek-Passage. Ein Jubiläum, das auf ganz besondere Weise gefeiert wird: Vier Stunden Rock ’n‘ Roll und Beat mit Heppo Steel, der die ganz alte Musikkiste auspackt, und Suzie & The Seniors, die sich auf die Beatmusik der 60er-Jahre spezialisiert haben. Heppo Steel wird wieder von der Hamburger Kultband Bonds begleitet.

Auf der Bühne steht Heppo Steel mit Lederhose, Metallgürtel und allerlei Gehänge um Hüften und Hals. Das ist das Bühnenoutfit des altgedienten Entertainers. Anschließend kommen die Klamotten in den Schrank und Heppo in die Kiste. Im gemütlichen Wohnzimmer der frisch renovierten und möblierten Drei-Zimmer-Wohnung an der Ulzburger Straße – hier ist seine Frau Annelore zur Welt gekommen – sitzt nicht Heppo Steel auf der Couch und schlürft seinen Cappuccino, sondern Herr Schilling. Heinrich Schilling, Heiner für seine Freunde. Die Elvis-Platten hat er extra für das Foto aus dem Keller geholt und neben sich gestellt. Die Musik des „Kings“ ist zwar nach wie vor seine Welt, aber diese Welt bleibt vor der Wohnungstür. Inzwischen ist Heinrich Schilling siebenfacher Großvater – da muss der Rocker nicht immer und ewig zur Schau gestellt werden. Ein bisschen hat er sich sogar gewundert, welche Plattenschätze da noch im Keller schlummern – alles lange nicht mehr gesehen, geschweige denn gehört.

Kein Plattenspieler, kein CD-Player, kein PC ist zu sehen. Allenfalls ein kleiner Fernseher, der auf einem antiken Nähmaschinentisch in der Ecke steht. Den Dynamischen muss Heinrich Schilling im Privatleben auch nicht immer herauskehren. Müde ist er an diesem Tag. Denn zwei Tage vorher war er als Heppo Steel auf einer privaten Feier in Quickborn engagiert. Erst morgens um 5 Uhr hat er sich ins Bett fallen lassen. „Das steckt mir heute noch in den Knochen“, sagt er. „Da merke ich doch mein Alter.“ Aber egal: Wenn Heinrich Schilling einmal ins Plaudern kommt, ist er schwer zu stoppen. Da spielt es keine Rolle, wie müde und zerschlagen er sich fühlt. Gesprächspausen kommen nicht auf, er springt von einem Ereignis, von einer Anekdote und von einer Person zur anderen.

Als Drummer von Jerry Lee Lewis hätte er 1961 in die USA gehen können

Als Deutschlands Antwort auf Elvis Presley war er einst eingeplant. Das hat nicht geklappt. Als Drummer von Jerry Lee Lewis hätte er 1961 in die USA gehen können. Hat er abgelehnt. Letztlich hat ihm meistens irgendwie der letzte Biss gefehlt. Heinrich alias Heppo spielt passabel Gitarre und Schlagzeug, aber richtig hineingekniet hat er sich nie. Und weil er in dieser Hinsicht immer ein bisschen faul war, wie er heute zugibt, ist er so geworden, wie er heute ist: Heppo Steel, den alle lieben, die ihn einmal auf der Bühne in einer Einkaufspasse oder einem Club erlebt haben. Ein wirklich begnadeter Entertainer, der die Gabe hat, die Leute anzulocken und sie anderthalb Stunden bei guter Laune zu halten. Sozusagen ein Hinterhofstar, der der Welt immer noch zeigt, wo der Hammer hängt. Fünf Jahrzehnte auf der Bühne, ohne wirklich Englisch sprechen zu können – das muss ihm erst mal jemand nachmachen.

In jüngeren Jahren war er so aktiv, dass er von der Musik hätte leben können. Aber das Leben hatte anderes mit ihm vor. Der handwerklich begabte und ausgebildete Heinrich Schilling ist heute Kopf eines in Bilsen ansässigen Garten- und Landschaftsbauunternehmens mit zehn Mitarbeitern und einem großen Fuhrpark. Zwar ist sein Sohn inzwischen maßgeblich daran beteiligt, aber immer noch laufen viele Fäden bei dem Senior zusammen. Da bleibt für die Musik nicht immer genügend Platz.

Wenn eine Band gewünscht wird, steht er mit den Bonds auf der Bühne

Aber natürlich kann die alte Rampensau es nicht lassen: An vielen Wochenenden ist er immer noch unterwegs. Meistens ohne Band, aber mit einem Musikplayback in der Tasche. Wenn eine Band gewünscht wird, steht er mit den Bonds auf der Bühne – eine Konstellation, die nicht immer unproblematisch ist. Denn hier treffen Alpha-Tiere aufeinander, die es gewohnt sind, die Bühne alleine zu beherrschen. Die Bonds (früher German Bonds) gab es schon zu Star-Club-Zeiten, alle haben nebenbei oder hauptsächlich in namhaften Bands gespielt, Gitarrist Peter Hesslein gehört heute immer noch zur Stammbesetzung des James-Last-Orchesters. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes Musik drin. Mit Suzie & The Seniors stehen weitere Musikprofis auf der Bühne der Moorbek-Passage. Denn diese Band ist identisch mit der deutschlandweit bekannten Rock-’n’-Roll-Band Franny & The Fireballs der Brüder Knut und Ralf Hartmann. Wenn Knuts Tochter Suzie singt, verändert sich nur der Name.

Ein hartes Brot, das Heinrich Schilling am Sonntag knacken muss. Er ist der Senior der Veranstaltung, wenngleich die Hartmanns und die Bonds-Musiker auch nur unwesentlich jünger sind. Aber das sieht ihm niemand an: Mit seinem Lederoutfit ist Heinrich alias Heppo immer noch der King von Norderstedt. Er singt zwar viele Presley-Stücke, ein Presley-Imitator aber ist er nicht. Heppo hat seinen eigenen Steel – auch so ein alter Kalauer, an den sich Heinrich Schilling inzwischen gewöhnt hat. „Norderstedt, die schöne Stadt mit Steel“, heißt es in seinem Norderstedt-Song, der anlässlich der U-Bahn-Verlängerung nach Norderstedt-Mitte herausgekommen ist. Ist doch schön, wenn eine Stadt so viel Stil hat...