Beim internationalen Fußballturnier in Norderstedt zeigte sich, wie wichtig Sport für jugendliche Flüchtlinge ist

Norderstedt. Der Ball klebt am Fuß, der Pass kommt an, und der Schuss ist auch nicht von schlechten Eltern. Fußball spielen können sie, auf dem Spielfeld in der Halle fühlen sie sich wohl. Da vergessen sie die Schrecken der Vergangenheit und eine Zukunft, die noch nicht viel mehr als erste Konturen gewonnen hat. „Sport ist für die Jungs enorm wichtig“, sagt Yama Waziri. Die Jungs sind für den Diplom-Sozialpädagogen Flüchtlinge, Jugendliche zwischen 16 und 20 aus Afghanistan, die ihre Heimat verlassen haben und nun in Hamburg nach einer Zukunft suchen.

20 von ihnen haben in Norderstedt gekickt, zwei Teams haben die Jugendlichen aus Hamburg für das Multi-Kulti-Turnier in der Sporthalle von TuRa Harksheide gestellt und ehrgeizig, wie sie sind, auch noch gewonnen, wobei im Finale die zweite die erste Mannschaft besiegt hat. Zehn Mannschaften waren dem Aufruf der Jugendbetreuer aus Norderstedt gefolgt und zum Kampf um Punkte und Tore gekommen. „Viele der Jugendlichen, die aus den Krisengebieten zu uns kommen, sind fußballbegeistert. Und da wollten wir ihnen die Chance geben, zu spielen“, sagt Yener Cevikol vom Jugendhaus Muku Buschweg, der den Fußballtag mit seinen Kollegen vom Atrium am Schulzentrum Süd organisiert hat. Im Sommer gab es ein ähnliches Turnier, das gut angekommen sei.

Unter dem Motto „Cultures United“ wollten die Veranstalter mit dem international besetzten Hallenfußballturnier in Norderstedt ein positives Zeichen für das Miteinander der Kulturen und Religionen und gegen Ausgrenzung und Ängste setzen. Und deutlich machen, welch enorme Bedeutung Sport für die Integration hat. Doch Hallenzeiten sind rar, Außenplätze nicht bespielbar. Der Winter lässt wenig Raum für das, was den Jungs so viel Spaß macht, so ganz nebenbei das Einleben erleichtert und nebenbei wie ein großes Ventil funktioniert. „Alles, was sich in den Köpfen anstaut, Aggressionen, aber auch Angst, oder schlicht die Energie, die junge Männer nun mal in diesem Alter haben, kann motorisch abgebaut und in vernünftige Bahnen gelenkt werden“, sagt Yama Waziri.

Wie zum Gegenbeweis kommt es auf dem Spielfeld auch gleich zur Rudelbildung. „Da liegt eine Menge Testosteron in der Luft“, stellt Oliver Jankowski fest. Er koordiniert im Norderstedter Rathaus die Kinder- und Jugendbeteiligung und ist mit dem Kinder- und Jugendbeirat in die Sporthalle gekommen. Die Jugendpolitiker waren spontan begeistert von der bewegungsintensiven Integrationsmaßnahme. Sie haben ein Team gebildet, was aber mehr symbolischen Charakter hatte. Als sie sahen, was die anderen drauf haben, war schnell klar, dass sie keine Chance hatten.

Die Jugendvertreter haben das Catering übernommen und mit Pizza, Kuchen, Würstchen und anderen Leckereien, auch ganz ohne Schweinefleisch dafür gesorgt, dass die Aktiven den Kalorienschwund ausgleichen konnten. Die Einnahmen sollen dem Willkommens-Team zugute kommen.

„Wir hatten gehofft, dass mehr Zuschauer kommen, und wir noch weitere Mitglieder werben können“, sagte Regina Baltrusch vom Willkommens-Team. Gebraucht würden vor allem Menschen für die Behördengänge, die vor allem in der ersten Zeit anstehen, wenn die Flüchtlinge nach Norderstedt kommen.

Die Rudelbildung war schnell beendet, Schiedsrichter und Betreuer entwirrten das Knäuel der Spieler, bei denen die Kontrolle dem Siegeswillen Tribut zollen musste, aber nur kurz. „Es braucht natürlich ein bisschen Zeit, bis sich die Spieler an die Regeln und den Ablauf des Turniers gewöhnt haben“, sagte Jankowski. Und tatsächlich: Bis zum Finale am Nachmittag blieben weitere überharte Attacken oder Beleidigungen aus.

„Fußball ist für uns schon sehr wichtig“, sagten Mustafa Javadi, 17, und Amir Ali Mahmoudi, 16. Beide stammen aus Afghanistan, Mustafa hat seine Heimat mit 15 verlassen. Warum, kann er nicht sagen, dafür reiche sein Deutsch noch nicht. Vielleicht will er es auch nicht sagen, weil seelische Narben wieder aufbrechen könnten, die gerade anfangen zu heilen. Zwei Jahre dauerte die Flucht durch den Iran, die Türkei, Griechenland und Italien. Vor sieben Monaten war in Hamburg Endstation. Wie Amir, der vor der Flucht im Iran gelebt hat, hat Mustafa im Intensivkursus Deutsch gelernt, besucht jetzt das Vorbereitungsjahr für Migranten an der Gewerbeschule G20 in Bergedorf, denn: Auch für Flüchtlinge besteht die Schulpflicht, die mit 18 endet.

Zum Sommer will Mustafa den Hauptschulabschluss machen und sich dann am Mittleren Abschluss, dem früheren Realschulabschluss, versuchen. „Die Jungs sind neugierig, sie wollen lernen und sich hier eine Perspektive schaffen“, sagt Betreuer Yama Waziri. Und sie wollen kicken, Mustafa und Amir spielen beim Eimsbütteler Turnverein in der Landesliga. Dreimal Training in der Woche, Punktspiele an den Wochenenden und natürlich Bundesliga im TV gucken. Die Jungs sind beschäftigt und ausgesprochen höflich. „Freut mich sehr, sie kennengelernt zu haben“, sagt Amir zum Abschied.